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Gebührenfreier Kita-Platz für jedes Kind

Interview der Woche von Diana Golze,

Interview mit Diana Golze, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE.

Ursula von der Leyen oder Eva Herman: Wer ist die bessere Mutter der Nation?

Ich weiß nicht, ob es überhaupt eine richtige Antwort auf diese Frage gibt. Besser für jede Mutter ist es, wenn sie zu ihrem Lebensentwurf stehen kann, egal ob sie sich für Job und Kinder oder erst für das eine und dann für das andere oder nur für eins von beidem entschieden hat. In diesem Sinne hat Frau von der Leyen die Nase vorn, denn sie steht zu ihrer Entscheidung. Ob sie dadurch die bessere Mutter ist, soll der SPIEGEL beurteilen.

Wie meistern Sie als zweiunddreißigjährige verheiratete Mutter einer Tochter Ihren Job als Bundestagsabgeordnete?

Muss an dieser Stelle mein Alter verraten werden? Im Ernst: Es ist ein hartes Geschäft. Zum Glück leidet nicht mein Kind, sondern nur meine Gefühlswelt darunter. Unsere Tochter ist rund um die Uhr gut versorgt, sei es im Kindergarten, beim Vater oder bei Oma und Opa. Ich bin diejenige, die ihre Zeit so einteilen muss, dass sowohl die Mutter als auch die Abgeordnete zu ihrem Recht kommt. Ich als Frau und eigenständige Persönlichkeit falle dabei manchmal etwas hinten runter, aber das muss ich wohl vorerst in Kauf nehmen.

Sie kommen aus der Uckermark, einem Landkreis mit hoher Arbeitslosen- und Abwanderungsquote. Was sagen Sie jungen Menschen, die hier eine Familie gründen wollen?

Traut euch! Je mehr Familien mit Kindern es gibt, umso mehr muss sich das öffentliche Leben diesem Trend anpassen. Im Moment geschieht genau das Gegenteil, denn junge Menschen und Kinder werden zur Minderheit. Die Gesellschaft, egal ob in der Uckermark oder im Havelland, wo ich seit einigen Jahren lebe, ist kinderentwöhnt. Diese aber können der Schlüssel für mehr Arbeit und Zukunftsperspektiven für die junge Generation sein. Dazu müssen wir aber auf Bundesebene noch eine ganze Menge anschieben.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) schlägt Alarm: Armut und Krankheit sind eng miteinander verknüpft. Kinder und Jugendliche aus sozialen Randgruppen leiden beispielsweise überdurchschnittlich häufig unter den Folgen von Fehlernährung und Bewegungsmangel. Hat der Staat versagt?

Ja! Kinderarmut bedeutet nicht nur materielle Armut, sondern auch einen Mangel an Bildungschancen, sozialer Teilhabe und Gesundheitsversorgung. Hier hat die Bundesregierung noch viel zu wenig getan. Rot-rot in Berlin ist einen wichtigen Schritt gegangen: Hier erhält jedes Kind für 23 Euro monatlich ein warmes Mittagessen in der Schule. Wir müssen dafür sorgen, dass kein Kind aufgrund seiner Herkunft und des Geldbeutels seiner Eltern schlechter gestellt und seiner Chancen beraubt wird. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das kann kein Bundesland und erst Recht keine Kommune für sich allein leisten.

BVKJ-Chef Hartmann fordert kostenlose Plätze in Kindertageseinrichtungen. Genügt das?

Es wäre zumindest ein wichtiger Schritt, denn das Abgleiten in eine Armutsspirale muss von Anfang an verhindert werden. In Brandenburg sind Kinder Erwerbsloser unter drei Jahren vom Kita-Besuch ausgeschlossen. Andere Eltern können es sich wegen der Kosten für das Mittagsessen nicht leisten, selbst wenn sie nichts für den Platz an sich bezahlen müssten. Deshalb wäre ein gebührenfreier Kita-Platz für jedes Kind eine ganz wichtige und richtige Sache. Andere weitere Schritte müssten dann folgen, wie z.B. eine existenzsichernde Kindergrundsicherung für alle Kinder.

Die Familienministerin hat für ihre jüngste Idee, mit Kinderspitzeln den Verkauf von Alkohol, Tabak und Gewaltvideos an Jugendliche eindämmen zu wollen, eine breite öffentliche Abfuhr erhalten. Sie zog den Vorschlag zurück. Welches sinnvolle Projekt würden Sie Frau von der Leyen ans Herz legen?

Da gerade über das Sondervermögen für die Schaffung zusätzlicher Kita-Plätze diskutiert wird, könnte sie den Vorschlag des BVKJ gleich in die Tat umsetzen. Oder sie sorgt für die Herabsetzung der Mehrwertsteuer - wenn schon nicht generell, dann wenigstens auf Kinderprodukte. Oder sie erhöht das Kindergeld. Es würde mir noch eine Menge mehr einfallen, aber das würde wohl den Rahmen sprengen.

linksfraktion.de, 22. Okotber 2007