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Ganz ehrlich

Im Wortlaut,

Aus der Reihe »Einsame Spitze« heute: Spionage - transparent und bürgernah

Von G.A. Mierend

Welch ein Triumph für Datenschutz und Grundgesetz: Die Auslandsgeheimdienste Deutschlands und der USA verhandeln über ein "No-Spy"-Abkommen. Was werden sie machen, wenn sie nicht mehr spionieren? Reisen, lesen, Gartenarbeit? Oder werden BND und NSA sich gegenseitig versichern, immer offen und ehrlich zu sein, wenigstens zueinander? Werden sie sich in Zukunft aufrichtig darum bemühen, dass bei routinemäßigen Zuwiderhandlungen die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit unverzüglich die Presse informiert?

Laut Geheimdienstkoordinator Pofalla handelt es sich bei diesem Vertrag um eine "einmalige Chance". Immerhin soll er eine Form von Spionage beenden, die nach den Worten des Kanzleramtschefs erstens überhaupt nicht existiert hat und zweitens durch ihn selbst gerade erst für "vom Tisch" erklärt wurde. Und falls "vom Tisch" das umfassende Spionageende noch nicht ausreichend beschreibt, haben sich laut Bundesinnenminister Friedrich sämtliche Verdächtigungen "in Luft aufgelöst".
 
Sollte das – im Grunde längst gegenstandslose – Agreement trotzdem noch zustande kommen, wäre der Weg frei für ähnlich aussichtsreiche Vereinbarungen: So könnten sich Fußball-Bundesligisten zur weiteren Wettbewerbsharmonisierung feierlich verpflichten, während des Spielbetriebs keinerlei Aktivitäten (Fouls, Flanken, Torschüsse) zum Nachteile anderer Vereine zu unternehmen.

Im Mittelpunkt des "No-Spy"-Abkommens steht, dass die Mitarbeiter beider Dienste bei ihrer verantwortungsvollen Arbeit als Kundschafter für Freiheit und Demokratie selbstverständlich alle einschlägigen Gesetze der Gegenseite respektieren beziehungsweise teilweise rezitieren können. Auf Drängen der deutschen Seite werden also alle NSA-Mitarbeiter derzeit noch einmal belehrt, sich "um jeden Preis" daran zu halten, dass auf deutschem Hoheitsgebiet das Wenden auf Autobahnen strengstens untersagt und das Verbrennen von Gartenabfällen überwiegend unzulässig ist. Die Bundesregierung versteht in diesem Punkt keinen Spaß. Für den Fall von Verstößen – so ließ man die Amerikaner wissen – gebe es einen Katalog von peinigenden bis massiven Vergeltungsmaßnahmen bis hin zu einer neuerlichen Entsendung von Bundesinnenminister Friedrich nach Washington. Im Wiederholungsfall in Begleitung von Ronald Pofalla.

Doch es gibt auch die unvermeidlichen Bedenkenträger. Sie zweifeln am Sinn der "No-Spy"-Vereinbarung. Sie behaupten, das Ganze würde nichts ändern und sei nur Opium fürs Volk. Die Bundeskanzlerin hat einen kühnen Plan, um diesen Nörglern den Wind aus den Segeln zu nehmen: "Damit amerikanische Dienste gar nicht bei uns spionieren müssen, wird die Bundesrepublik einfach von sich aus sämtliche Daten ihrer Bürger und Einrichtungen an die zuständigen US-Stellen übermitteln. Wir sollten also jede neue Information schneller übermitteln, als sie ausgespäht werden kann. Gewiss, wir sind auf diesem Weg schon weit vorangekommen. Aber erst dann, wenn unsere amerikanischen Freunde ganz sicher sein können, dass bei uns kein einziger Datensatz mehr zu holen ist, werden sie in der Lage sein, das No-Spy-Abkommen einzuhalten."

Ein separater Artikel der Vereinbarung wird dafür sorgen, dass sich deutsche Bürger bald nicht mehr fragen müssen, ob ihre Kommunikation überwacht und ausgewertet wird. So soll künftig auch vor Privatgesprächen die bisher nur bei Telefon-Hotlines gängige Mitteilung ertönen: "Zur Qualitätssicherung werden einzelne Gespräche mitgeschnitten beziehungsweise Metadaten erfasst. Wenn Sie damit einverstanden sind, sprechen Sie einfach weiter. Sollten Sie Einwände gegen dieses Verfahren haben, sprechen Sie ebenfalls weiter. Sie können aber auch die 1 drücken beziehungsweise deutlich 'Ja' sagen. Wenn Sie dagegen eine Fortsetzung der Überwachung mit optimierter Klangqualität wünschen, drücken Sie bitte die Raute-Taste."