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Für Mindestlohn und Mindestrente, gegen soziale Ausgrenzung!

Interview der Woche von Steffen Bockhahn, Gesine Lötzsch,

Im Interview der Woche stehen Steffen Bockhahn und Gesine Lötzsch Rede und Antwort  zu zentralen Themen der politischen Arbeit der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag: Wie steht es im Kampf um den Mindestlohn und Mindestrente? Was tun gegen Alters- und Kinderarmut? Wie lässt sich der Kampf um bezahlbare Mieten gewinnen?


"Ihnen einen schönen Urlaub! Der Kellnerin einen guten Lohn!" Mit dieser Aktion hat die Bundestagsfraktion DIE LINKE in Mecklenburg-Vorpommern für Aufsehen erregt. Wie steht es im Kampf um einen gesetzlichen Mindestlohn in Mecklenburg-Vorpommern und auf Bundesebene?


Steffen Bockhahn: Da ist leider noch viel zu tun. In meiner Heimat arbeiten 45 Prozent aller Menschen im Niedriglohnbereich. Bei den unter 25-Jährigen sind es sogar 75 Prozent. Das ist unfassbar. Die SPD in MV behauptet, sie wolle einen Mindestlohn. Mit uns kann es den geben, mit der CDU sicher nicht. Die blockiert ihn im Land und im Bund. Wir könnten mit einer rot-roten Koalition aber über den Bundesrat, zusammen mit anderen, eine Aktion starten.


Gegen den Mindestlohn wird oft eine Drohkulisse aufgebaut: Es heißt der Mindestlohn vernichte Arbeitsplätze. Was entgegnen Sie?

Gesine Lötzsch: Es gibt einfach zu viele Beispiele aus anderen Ländern, wie z.B. den USA oder Großbritannien, die belegen, dass Mindestlöhne keine Arbeitsplätze vernichten. Wer keine Mindestlöhne will, der nimmt es einfach hin, dass es in unserem reichen Land Menschen gibt, die von ihrer Arbeit nicht leben können.

DIE LINKE zieht in Mecklenburg-Vorpommern hinter SPD und CDU als drittstärkste Kraft in den Landtag ein. Wer mit wem koaliert, ist nicht ausgemacht. Warum sollten die Bürgerinnen und Bürger eher auf eine Wiederauflage von Rot-Rot hoffen als auf die Fortsetzung von Rot-Schwarz?


Steffen Bockhahn: Weil das schönste Bundesland der Welt einen Mindestlohn braucht, deutlich bessere Bildung an den Schulen und eine anständige Finanzausstattung der Kommunen. Das alles konnte die SPD mit der CDU nicht machen. Mit uns wird das gehen. Außerdem freue ich mich auf das Gesicht der Kanzlerin, wenn in dem Bundesland, wo sie ihren Wahlkreis hat, DIE LINKE regiert.

Wie schätzen Sie das Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern ein?

  Gesine Lötzsch: Es ist ein großer Erfolg der Genossinnen und Genossen, die vor Ort Wahlkampf gemacht haben. Aber es ist auch ein Erfolg der ganzen Partei. Trotz massiven Einsatzes aller konservativer Medien gegen DIE LINKE haben wir einen Stimmenzuwachs erreicht. Das ist eine tolle Leistung. Ich gehe davon aus, dass dieses Ergebnis alle Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer in Niedersachsen und Berlin motivieren wird.

Vor zwei Wochen machte eine Nachricht Schlagzeilen, die auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zurückging: Im Vergleich zum Jahr 2000 müssen immer mehr RentnerInnen nebenher jobben und häufiger staatliche Grundsicherung beanspruchen. Was kommt auf die Menschen zu? Und wie muss gegengesteuert werden?   Gesine Lötzsch: Altersarmut ist kein Horrorszenario, das wir uns ausgedacht haben. Frau von der Leyen musste zugeben, dass das Rentenniveau bis 2025 sogar um 10 Prozent sinkt. Ein heute 40-jähriger Ostdeutscher wird nur noch eine Rente unter der Grundsicherung bekommen. Welchen Sinn hat dann noch die Einzahlung in die Rentenversicherung? Die Ministerin will, dass die Bürger sich privat absichern. Doch wie soll ein Niedriglöhner, der zu wenig Geld für das tägliche Leben hat, Geld für die Rente zurücklegen? DIE LINKE fordert eine Mindestrente. Das ist finanzierbar, wenn alle in die Rentenversicherung einzahlen müssen.

Altersarmut droht vielen, die Kinderarmut ist schon heute schockierend hoch. Wie ist die Situation in Mecklenburg-Vorpommern und was wird dagegen getan?


Wo die Menschen nichts verdienen, leiden immer auch die Kinder. Die Zahlen bei uns sind erschreckend hoch und die soziale Ausgrenzung der Kleinsten wird so zur Massenerscheinung. Die Landesregierung tut derzeit fast nichts. SPD-Vize Schwesig ist ja im Hauptberuf eigentlich Sozialministerin in M-V. Aber schöne Fotos im Kindergarten sind bestimmt nicht genug.


Sie sind in Berlin zu Hause. Wie steht es um die Kinderarmut in Berlin?


Gesine Lötzsch: Ich war in Lichtenberg bei einer Einschulung dabei. Ich habe die Kinder gesehen, die eingeschult wurden, und kann schon heute sagen, welche Kinder kaum eine Chance in diesem Land haben werden. Armut ist gerade in Berlin sichtbar. Auch wenn der Senat viel getan hat, um gegen Kinderarmut vorzugehen, ist doch das Grundproblem das ungerechte Steuersystem in unserem Land. 

Bildung ist eine wichtige Ressource im Kampf gegen Armut. Wo sehen Sie Versäumnisse?


Steffen Bockhahn: Wir brauchen kostenfreie Kinderbetreuung einschließlich frühkindlicher Bildung. Dazu gehören ordentliche Löhne für gut ausgebildetes Personal in den Kitas. Die Kinder müssen frühzeitig wieder das Lernen lernen. Öffentliche kostenlose Schulen mit kleinen Klassen und guten Schulbüchern sind ebenso notwendig. Wenn wir nur die Hälfte des Geldes, das wir für Krieg und Bundeswehr ausgeben dafür nehmen würden...

Bildung scheint wieder verstärkt eine Frage des Geldbeutels zu sein. Welche Antwort gibt DIE LINKE auf diese gesellschaftliche Entwicklung?


Gesine Lötzsch: Es ist ein Erfolg der LINKEN, dass es in Ostdeutschland, in Hessen und in NRW keine Studiengebühren gibt. Wir wollen, dass der Kindergarten als Bildungseinrichtung anerkannt wird und genauso wie die Schule für die Kinder gebührenfrei wird. In Berlin hat das die LINKE schon erreicht.

Viele Kommunen kämpfen mit klammen Kassen. Für die Menschen bringt das spürbare Einschnitte – zum Beispiel bei der Ausstattung von Schulen. Was will DIE LINKE dagegen tun?

Steffen Bockhahn: Die kommunale Finanzausstattung war eines unserer wichtigsten Themen in den letzten Wochen. Es ist so wichtig, dass die Kommunen das Geld bekommen, das sie brauchen. Nur so können Schulen attraktiv sein, Bibliotheken viele Bücher haben und Schwimmbäder öffnen, können Sozialtickets für Theater und Straßenbahnen angeboten werden. Dazu muss die Verteilung der Gelder zwischen Bund, Ländern und Kommunen verändert werden.

Viele Berliner beklagen steigende Mieten in ihren Kiezen und werden verdrängt. Wie kann der Kampf um bezahlbaren Wohnraum gewonnen werden?

Gesine Lötzsch: Wir haben die Privatisierung von Wohnungsbaugesellschaften in Berlin gestoppt. Wohnen ist ein Menschenrecht, das darf man nicht den Heuschrecken überlassen. Aber auch die Mietpolitik der kommunalen Wohnungsgesellschaften muss wieder durch die Parlamente kontrolliert werden. Und der Bundestag wird sich darum kümmern müssen, dass die Bundesregierung die Kosten der Energiewende nicht auf die Mieterinnen und Mieter abwälzt.

Hand aufs Herz: Bleibt Harald Wolf auch nach der Wahl in Berlin am 18. September stellvertretender Bürgermeister der Hauptstadt?

Gesine Lötzsch: Ich wünsche mir natürlich als Berlinerin ein erfolgreiches Abschneiden der LINKEN in der Hauptstadt. DIE LINKE wird nach der Wahl sicherlich mit der SPD in Verhandlungen über einen neuen Koalitionsvertrag treten. Dann geht es darum, dass wir möglichst viele Forderungen unseres Wahlprogramms in den Koalitionsvertrag einbringen.

linksfraktion.de, 5. September 2011