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Für DIE LINKE ist Bürgerdialog keine Eintagsfliege

Im Wortlaut von Katrin Kunert,

Kommentar

Von Katrin Kunert, kommunalpolitische Sprecherin der Fraktion und für DIE LINKE im Wahlkreis Altmark direktgewählte Bundestagsabgeordnete

 

 

"Wahnsinn mit Geschichte" titelte die Kolumne in der Financial Times Deutschland vor einigen Tagen. Hintergrund ist die erneute Bereitstellung von 480 Milliarden Euro für die Rettung der Banken, die in nur wenigen Tagen sang und klanglos Kraft der schwarz-gelben Koalition im Bundestag beschlossen wurde. Nach Zustimmung des Bundesrates können diese Mittel jederzeit von den Banken abgerufen werden.

Während sich die Banken dieses Landes keine Sorgen um ihre Zukunft machen brauchen, weil sich die Bundesregierung kümmert, müssen viele Städte und Gemeinden um ihre Zukunft bangen. Auch wenn sich die finanzielle Lage im Vergleich zu 2008 – dem Beginn der Eurokrise – etwas verbessert hat, steht vielen Kommunen nach wie vor das Wasser bis zum Hals. Vor allem in strukturschwachen Regionen befinden sich Kommunen in einem Teufelskreis, den sie allein nicht durchbrechen können. Schwarz-Gelb interessiert all das nicht, was für mich schwer nachvollziehbar ist. Alle Bundestagsabgeordneten leben in Städten oder Gemeinden, müssten also eigentlich die Einschnitte vor Ort erleben. Theater bekommen weniger Geld, Schwimmbäder und Bibliotheken werden geschlossen, Gebühren steigen. Eigentlich. Es hat den Anschein, als wäre der Bundestag ein großes Raumschiff, dass die Erdumlaufbahn verlassen hat und sich immer mehr von der Erde entfernt, nur um nicht mitzubekommen, was real passiert.

Die Kanzlerin versucht zwar den Rettungsanker zu werfen, aber eine Rettung wird ihr nicht gelingen. Der Bürgerdialog, den sie am 1. Februar im Internet unter dem Motto "Lassen Sie uns gemeinsam nachdenken, wie wir in Zukunft leben wollen" startete, hat nur eine Alibifunktion. Die Ankündigung, Erfahrungen der Bürgerinnen und Bürger zu nutzen, ist nicht ernst gemeint. Bürgerinnen und Bürger dürfen zwar mitreden, aber nicht mitentscheiden.

Zu meinem Credo in der Politik gehören zwei Kriterien, zum einen die frühe Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern in Entscheidungen und zum anderen müssen sie auch selbst entscheiden können, wie sie in ihrem Land, in ihrer Stadt oder Gemeinde leben wollen. Voraussetzung dafür ist, dass Bund, Land und Kommunen über mehr Geld verfügen und dieses Mehr an Geld zugunsten der Kommunen umverteilt wird. Die Kommunalfinanzen gehören vom Kopf auf die Füße gestellt. Die Finanzierung der Aufgaben in den Kommunen muss Grundlage der Kommunalfinanzen werden und nicht der Ermessenspielraum der Regierenden. Alle bisherigen Bundesregierungen haben mit ihrer Steuersenkungspolitik eines gemeinsam erreicht: Den Kommunen blieb am Ende immer weniger Geld für ihre Aufgaben. Damit muss Schluss sein.

Für mich und meine Fraktion ist der Bürgerdialog keine Eintagsfliege. Ich bin ständig in meinem Wahlkreis unterwegs. Ich höre mir nicht nur die Probleme der Bürgerinnen und Bürger an, sondern nehme sie ernst und trage sie in den Bundestag. Ich will auch wissen, wie sie meine Arbeit und die meiner Fraktion reflektieren. Eine Herangehensweise, die ich mir auch für den Bundestag wünsche.

Die derzeitige Gesetzgebung im Bundestag ist eine Einbahnstraße zu Lasten der Kommunen. Aufgaben werden erweitert. Zum Beispiel soll ein Mitarbeiter im Jugendamt künftig anstatt 100 nur noch 50 Jugendliche betreuen. Das bedeutet mehr Personalkosten. Die aber sind angeblich nicht bezifferbar. Also zahlt die Kommune drauf - Geld, das an anderer Stelle fehlt. Deshalb müssen aus meiner Sicht Gesetze im Bundestag vorher durch einen kommunalen TÜV. Meine Fraktion hat ihn schon eingeführt. Alle parlamentarischen Initiativen werden daraufhin geprüft, welche Auswirkungen sie auf das Leben der Bürgerinnen und Bürger in Städten, Gemeinden und Landkreisen haben.

Kommunalpolitik hat in meiner Fraktion ein gutes Standing. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, wenn wir gemeinsam mit kommunalen Amtsträgerinnen und Amtsträgern der LINKEN Bilanz ziehen und diskutieren. Sie werden am 7. Februar zu Gast in unserer Fraktion sein.

linksfraktion.de, 6. Februar 2012