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Jan Korte spricht während einer Fraktionssitzung der Linksfraktion

Für das Recht auf politischen Streik

Nachricht von Jan Korte,

Politische Streiks gelten in Deutschland als verboten. Von den 27 Staaten der Europäischen Union sind lediglich in Dänemark und Deutschland diese Form der Arbeitsniederlegungen nicht erlaubt. Die Bundesrepublik sieht sich aber aktuellen ungeheueren gesellschaftspolitischen Herausforderungen gegenüber: einem Krieg in Europa, der Klimakrise, explodierenden Lebensmittel- und Energiepreisen sowie einer zunehmend ungleichen Vermögensverteilung und der Frage, wer die Mehrbelastungen zu tragen hat. Die Frage nach der Zulässigkeit von politischen Streiks in Deutschland gewinnt damit wieder an Gewicht.

„Die gesellschaftspolitischen Herausforderungen durch Krieg, Klimakrise, explodierende Lebensmittel- und Energiepreise und eine zunehmend ungleiche Vermögensverteilung werden immer größer. Und wenn sich die soziale Lage zuspitzt, dann gewinnt natürlich auch die Frage nach der Zulässigkeit von politischen Streiks als Mittel der politischen Willensbildung deutlich an Gewicht. Mit Ausnahme von Dänemark und Deutschland gibt es in allen anderen EU-Staaten das Recht auf politischen Streik. Es wird endlich Zeit, dass wir auch hier europäischer werden. Der Bundestag hat es bis zum heutigen Tag versäumt, das deutsche Streikrecht den Bestimmungen der Europäischen Sozialcharta anzupassen. Aber das kann er ja demnächst dank unseres Antrags nachholen", wirbt Jan Korte, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion.

Politische Streiks würden abhängig Beschäftigten ermöglichen, ihre gemeinsame materielle Interessenslage wirkmächtig zum Ausdruck zu bringen, auf diese Weise das Staatshandeln zu beeinflussen und ein wachsendes soziales Ungleichgewicht zu verhindern. Der politische Streik ist ein Element kollektiver Selbstbestimmung im Rahmen des repräsentativ legitimierten Staatshandelns.

"Das Streikrecht wird aus der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG hergeleitet, der jedermann das Recht gewährt, 'zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden'. Eine explizite Erwähnung findet es im Grundgesetz jedoch nicht. Auch hat es bisher keine einfachgesetzliche Regelung erfahren, sodass die rechtliche Ausgestaltung der Streikfreiheit und des Arbeitskampfrechts ausschließlich von der Rechtsprechung, insbesondere der Arbeitsgerichte, geleistet worden ist", schreibt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einer aktuellen Ausarbeitung von August 2022. Darin heißt es weiter:

"Nach der Rechtsprechung ist ein Streik von Art. 9 Abs. 3 GG nur dann geschützt, wenn er als Instrument zur Durchsetzung tariflicher Regelungen eingesetzt wird. Als Hilfsinstrument zur Sicherung der Tarifautonomie muss er den Ausgleich sonst nicht lösbarer tariflicher Interessenkonflikte zum Ziel haben. Dem politischen Streik, der sich gerade nicht gegen den Tarifpartner wendet, fehlt nach der Rechtsprechung die erforderliche Tarifbezogenheit. Er ist danach rechtswidrig. Dies hat etwa das LAG München 1979 in einem Leitsatz ausdrücklich festgehalten: 'Art. 9 [Abs. 3] GG rechtfertigt nicht den politischen Streik.'"

Entgegen der allgemeinen Rechtssprechung kommen aus der Wissenschaft Stimmen, die aus der bestehenden Gesetzeslage kein Verbot des politischen Streiks ableiten. Auch Professor Wolfgang "Däubler kommt zu dem Ergebnis, dass der politische Demonstrationsstreik zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nach Art. 9 Abs. 3 GG legal sei. Er betont, dass die Legalität des politischen Streiks insbesondere auch europa- und völkerrechtlich geboten sei. Dabei bezieht er sich auf Art. 3 des ILO-Übereinkommens sowie die neueste Rechtsprechung zu Art. 11 EMRK", hält der Wissenschaftliche Dienst fest.

"Wer politische Meinungsäußerungen – und nichts anderes ist ein politischer Streik - für Erpressung hält, der diffamiert damit einerseits ein Instrument der Demokratie und die berechtigten Sorgen und Anliegen weiter Teile der Bevölkerung. Und er ignoriert oder leugnet, dass die Unternehmer jeden Tag die Beschäftigten z.B. mit der Drohung durch Arbeitsplatzverlust oder Verlagerung der Produktion ins Ausland erpressen. Uns geht es um eine Verbesserung der Kampfbedingungen für die Gewerkschaften und abhängig Beschäftigten. Um nicht mehr, aber auch nicht weniger", appelliert Jan Korte.