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Foto: Rico Prauss

Fünf Jahre Föderalismusreform I

Im Wortlaut von Dietmar Bartsch, Ulrich Maurer,

Von Dietmar Bartsch und Ulrich Maurer

Im Sommer 2006 beschlossen Bundestag (29. Juni) und Bundesrat (7. Juli) die erste Stufe der Föderalismusreform, die am 1. September 2006 in Kraft trat. Mit der Reform sollte die Anzahl der durch den Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetze von etwa 60 Prozent auf 40 Prozent gesenkt werden. Die Rahmengesetzgebung des Bundes wurde abgeschafft. Die Länder erhielten mehr eigenständige Kompetenzen. Dies betraf vor allem das Beamtenrecht, die Laden- und Gaststättengesetzgebung, das Heimrecht sowie das Versammlungs- und Presserecht. Außerdem haben die Länder nun im Umwelt- und Bildungsbereich ein so genanntes „Abweichungsrecht.“ Zugleich erlangte der Bund für das Atomrecht, das Melde- und Ausweisrecht, das Kriegsfolgenrecht, und weitere Bereiche die alleinige Gesetzgebungshoheit.

Mit der Föderalismusreform I war die Hoffnung verbunden, dass die umstrittenen gegenseitigen Blockaden und langwierigen Vermittlungsverfahren von konkurrierenden Mehrheiten im Bundesrat und Bundestag verringert werden könnten. Zwar wurde die Anzahl der zustimmungspflichtigen Gesetze gesenkt. Dennoch bestehen im Grundgesetz insgesamt 56 Zustimmungsvorbehalte. Sie betreffen vor allem den größten Teil der Steuergesetzgebung, alle Geldleistungsgesetze, z.B. das Bafög und die Grundsicherung, alle Gesetze, die in die Organisations- und Verwaltungshoheit der Länder eingreifen sowie verfassungsändernde Gesetze, die der Zustimmung durch eine Zweidrittelmehrheit des Bundesrates bedürfen. Dagegen fallen die Rentengesetz- und Gesundheitsgesetzgebung nicht unter die Zustimmungspflicht des Bundesrats.

Was zunächst wie eine nicht sehr ambitionierte, aber vernünftige Verwaltungsreform erscheint, erweist sich jedoch beim genaueren Hinsehen, als eine partielle Abkehr vom Prinzip des kooperativen Föderalismus. Tatsächlich hat die Föderalismusreform I vor allem im Hochschul- und Bildungsbereich die Bundeskompetenzen stark geschwächt. Mit der Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau zieht sich der Bund schrittweise aus der Finanzierung wichtiger Investitionen in den Unis zurück. Und mit dem Kooperationsverbot (Art. 104b GG), auf Initiative der CDU-regierten Länder, soll verhindert werden, dass den Konservativen missliebige Projekte wie das Ganztagsschulprogramm IZBB weiter finanziert werden können. Die Kritik der GEW, dass „ein solches Kooperationsverbot … angesichts der Haushaltsmisere von Ländern und Kommunen geradezu schädlich für unser Bildungswesen“ ist, bleibt auch fünf Jahre nach der Reform zutreffend.

Doch die Konflikte haben mit der Föderalismusreform I und der 2010 in Kraft getretenen zweiten Stufe der Reform, die Bund-Länder-Finanzen betraf, keineswegs abgenommen. Die durch die Steuerpolitik des Bundes gebeutelten Länder nutzen jede Gelegenheit, den Bund zur Kasse zu bitten, wo ihnen dies ihre verbliebene Vetomacht erlaubt. Gerade auch Ministerpräsidenten der Union wenden sich gegen die angekündigten Steuersenkungen der CDU-FDP-Koalition in Berlin, weil ihnen die Schuldenbremse genauso im Nacken sitzt, wie ihren SPD-KollegInnen. In den süddeutschen Ländern betreiben die Regierungen Bayerns, Baden-Württembergs und Hessens eine Verfassungsklage gegen den Länderfinanzausgleich und damit eine der tragenden Säulen der der bundesstaatlichen Solidarität.

www.linksfraktion.de, 7. Juli 2011