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Friedenspolitik statt Militäreinsätze in Irak und Syrien

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

Von Sevim Dagdelen, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Die Türkei plant nach Auskunft ihres Außenministers Mevlüt Cavusoglu die Ausweitung ihrer Angriffe auf die Kurden und sucht dafür den Schulterschluss mit der irakischen Regierung. Die grenzüberschreitende Offensive im Norden Iraks soll eventuell nach der irakischen Parlamentswahl im Mai starten. Auch vor diesem Hintergrund verbietet sich die von der Bundesregierung gerade beschlossene Ausweitung des Irak-Einsatzes der Bundeswehr. Es ist geradezu kriminell, deutsche Soldaten an der Ausbildung der irakischen Armee für ein Kriegsabenteuer an der Seite Erdogans zu beteiligen.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Antrag zur weiteren Beteiligung der Bundeswehr im Kampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) im Irak und in Syrien steht ohnehin auf tönernen Füßen. Die IS-Milizen, die 2014 große Teile des Irak und Syriens unter ihre Kontrolle bringen konnten, sind in der Fläche militärisch besiegt. Ende 2017 hatten sie über 95 Prozent der einst kontrollierten Gebiete und alle größeren Städte wie Deir ez-Zor und Rakka in Syrien und Mossul im Irak verloren.

Es ist mithin vollkommen unklar, welcher Auftrag der Bundeswehr im Rahmen der Anti-IS-Koalition zukommen soll. Der im Mandat formulierte Anspruch, „terroristische Handlungen zu verhüten und zu unterbinden“, ist als gescheitert zu bewerten. Militäreinsätze sind kein Beitrag zur Bekämpfung von Terrorismus. Die Bilanz des sogenannten Kriegs gegen den Terror zeigt ja gerade nachdrücklich, dass die Gefahr islamistischer Terroranschläge weltweit nicht verringert, sondern vergrößert worden ist. 

  

NATO weitet Aktionsradius aus

Der Krieg in Syrien geht auch nach der militärischen Niederlage des IS unvermindert weiter und fordert nach wie vor viele Menschenleben. Er wird maßgeblich von externen geostrategischen Interessenslagen angetrieben, auf dem Rücken der Syrerinnen und Syrer. Regionale und internationale Mächte verhindern, dass das Leiden und Sterben der Menschen in Syrien beendet werden kann und dass sich der Irak stabilisiert: Mit dem Eintritt der NATO in die US-geführte Anti-IS-Koalition und dem Einsatz der AWACS-Maschinen mit deutscher Beteiligung zur Lagebilderstellung über Syrien wurde die geostrategische Dimension des Kriegs in Syrien überdeutlich. Jetzt weitet die NATO ihren Aktionsradius aus. Die AWACS-Flüge, die bislang nur über NATO-Gebiet stattfanden, werden auf den irakischen Luftraum ausgedehnt.

Die USA und Russland stehen sich in Syrien mit einer Vielzahl von Militärbasen gegenüber. Die USA betreiben die faktische Aufteilung Syriens und verhindern aktiv, dass die syrische Armee die Kontrolle über das gesamte syrische Staatsgebiet zurückerlangt. Die Gefahr einer direkten Konfrontation mit Russland wird dabei in Kauf genommen.

  

Bruch des Völkerrechts

Die Bundesregierung kann nicht definitiv ausschließen, dass die Türkei Lagebilder, die durch deutsche Tornado-Aufklärungsjets im Rahmen der Anti-IS-Koalition über Syrien erstellt wurden, für ihre Angriffe auf die Kurden nutzt. Der Einmarsch der türkischen Armee in syrisches Staatsgebiet und die Unverhältnismäßigkeit der Kriegsführung stellen eine Verletzung des Völkerrechts dar, wie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages bestätigt.

Mit der Ankündigung der türkischen Führung, demnächst ihre Offensive gegen die Kurden auf den Irak auszuweiten – gemeinsam mit der irakischen Armee – verbietet sich die geplante Ausbildungsmission der Bundeswehr. 

Und vergessen wir nicht: Der US-geführte Anti-IS-Krieg auf syrischem Territorium ist völkerrechtswidrig. Selbst eine völkerrechtlich fragwürdige Autorisierung durch den UN-Sicherheitsrat unter explizitem Bezug auf Kapitel VII der UN-Charta liegt für die Mission bis heute nicht vor, und die syrische Regierung wurde nicht um Zustimmung für diesen Einsatz angefragt.

 

Aktive Friedenspolitik entwickeln

Statt die Militäreinstätze der Bundeswehr zu verlängern und auszuweiten, sollte die Bundesregierung endlich eine aktive Friedenspolitik entwickeln.

Notwendig ist eine Beendigung des Einsatzes der Bundeswehr-Tornados im Rahmen der Anti-IS-Koalition. DIE LINKE. im Bundestag fordert zudem, die Bundeswehr aus der Türkei und von den AWACS-Flügen der NATO abzuziehen.

Für eine Stabilisierung des Irak braucht es verstärkte zivile Zusammenarbeit und großzügige Wiederaufbauhilfe statt einer militärischen Ertüchtigung der irakischen Armee.

Was die syrische Bevölkerung nach sieben Jahren Krieg braucht, ist ein Engagement für einen sofortigen Waffenstillstand an allen Fronten und von allen Seiten. Wer Syrien helfen will, muss sich für die Wiederaufnahme politischer Verhandlungen unter den Prämissen der territorialen Einheit und Souveränität einsetzen. Die Unterstützung islamistischer Gruppen in Syrien durch externe Akteure muss von der Bundesregierung deutlich verurteilt werden, ebenso wie die Angriffe der Türkei auf syrisches Territorium als völkerrechtswidrig zu bewerten sind.

  

Wiederaufbau statt Sanktionen

Statt Wirtschaftssanktionen braucht Syrien Wiederaufbauhilfe: Die Bundesregierung muss sich in der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass die Strafmaßnahmen, die die syrische Bevölkerung treffen, beendet, die humanitären Hilfen verstärkt und Mittel für den Wiederaufbau angeboten werden.

Zu einer aktiven Friedenspolitik gehört schließlich, mit NATO-Mitgliedstaaten, insbesondere den USA, Frankreich, Großbritannien und der Türkei, sowie den Partnern in der Region Saudi-Arabien, Jordanien und Israel, aber auch mit Russland und Iran Gespräche zu führen, um weitere Waffenlieferungen, insbesondere auch an islamistische Terrorgruppen, zu unterbinden. Rüstungsexporte in die gesamte Krisen- und Kriegsregion müssen unverzüglich gestoppt werden. Hier kann und muss die Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangehen und Maßstäbe setzen.