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Frieden in Kolumbien ist nur mit sozialer Gerechtigkeit möglich

Im Wortlaut von Heike Hänsel,

Kohle für Deutschland: Steinkohlebergwerk El Cerrejón im Norden Kolumbiens    
                                                                                                             Bild: flickr.com/Tanenhaus

 


Von Heike Hänsel, stellvetretende Vorsitzende und entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

 

 

Die Aufnahme von Verhandlungen zwischen der Regierung und der Guerillaorganisation Nationale Befreiungsarmee (ELN) vor wenigen Tagen in Kolumbien ist zu begrüßen. Die Gespräche, gegen die sich die Regierung von Präsident Juan Manuel Santos lange gewehrt hatte, erhöhen die Chancen auf einen nachhaltigen Friedensprozess in dem südamerikanischen Land. Damit ist aber auch klar: Wenn die Waffen der Guerilla schweigen, wird es nicht automatisch Frieden geben. Die politische Gewalt gegen MenschenrechtsverteidigerInnen ist ungebrochen und Terrorakte paramilitärischer Gruppierungen sind an der Tagesordnung. Das hängt mittelbar auch mit der deutschen Wirtschaft zusammen.

Das Zentrum zur Analyse des Konflikts (Cerac) verweist auf 70 gezielte politische Morde allein im Jahr 2014 und 105 Morde im vergangenen Jahr. Ähnliche Warnungen kommen von der Vertretung der Vereinten Nationen in Kolumbien. Zugleich beobachten Nichtregierungsorganisationen eine Reorganisierung rechtsgerichteter Paramilitärs, die in der Vergangenheit schon für die Mehrzahl politischer Morde sowie Vertreibungen verantwortlich waren und im Interesse kolumbianischer oder transnationaler Konzerne agieren. In diesem Zusammenhang erreichen uns immer wieder Berichte über die Steinkohlemine El Cerrejón im Norden Kolumbiens. Von den 35 Millionen Tonnen der dort geförderten Steinkohle gingen 33 Millionen Tonnen in den Export – unter anderem nach Deutschland. Nach Angaben der Hamburger Initiative Gegenstrom13, einem Protestbündnis gegen den Betrieb des Hamburger Kohlekraftwerkes Moorburg, ist dessen Betreiber, der Energiekonzern Vattenfall, ein wichtiger Abnehmer der kolumbianischen Steinkohle. Zu den Kunden von El Cerrejón gehörten oder gehören auch die deutschen Energiekonzerne E.on, EnBW und Steag.

Große soziale Ungleichheit

Von möglichen Friedensabkommen mit der ELN und den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) erhofft sich die kolumbianische Oberschicht mehr wirtschaftspolitische Freiheiten. Was aber wären die Folgen? Zwischen der EU und Kolumbien gibt es seit 2013 ein bilaterales Freihandelsabkommen, das auf Kritik sozialer Bewegungen sowie Gewerkschaften in Lateinamerika und in der EU stößt. Nicht ohne Grund: Kolumbien mit mehr als 47 Millionen Einwohnern – darunter 102 indigene Völker mit 64 offiziellen Sprachen und 4,4 Millionen Afrokolumbianer – gehört nach Angaben der UNO zu den Ländern mit der größten sozialen Ungleichheit. Der neoliberale Freihandel verschärft diese Gegensätze überall in Lateinamerika.

Im Fall von Kolumbien kommt das Wirtschaftswachstum schon jetzt nur wenigen zu Gute, während die Armutsquote bei 30,7 Prozent liegt. Wenige reiche Familien besitzen einen Großteil des fruchtbaren Landes, dazu kommen 6 Millionen Hektar illegalen Landbesitzes.

Diese Situation zu verändern, wird die eigentliche Herausforderung sein. Bisher aber schreitet die Rückgabe von gewaltsam enteignetem Land nur langsam voran, paramilitärische Strukturen und die Armee schützen in den ländlichen Regionen nach wie vor Großgrundbesitz. Auf lokaler Ebene haben die Enteigner oft weiterhin die politische und militärische Kontrolle. Nach Angaben des Gewerkschaftsdachverbandes CUT gab es seit 1986 auf etwa 4.000 politische Morde, oft an Bauern- und Gewerkschaftsführern. Sechs Millionen Menschen sind nach wie vor im eigenen Land vertrieben. Das macht Kolumbien nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) zu dem Land mit der weltweit zweitgrößten Zahl an Binnenvertriebenen – nur noch übertroffen von Syrien.

Pflicht zur Umverteilung des Reichtums

Wenn die Guerilla in Kolumbien also die Waffen abgibt und sich einmal mehr zum Frieden bereit erklärt, stehen die Regierung und Oberschicht in der Pflicht zur Umverteilung des Reichtums. Derzeit sind die Verbindungen zwischen paramilitärischen Strukturen und der kolumbianischen politischen Klasse sind nach wie vor stark und müssen endlich zerschlagen werden. Sonst wird der begonnene Friedensprozess keine reale Sicherheit für soziale Bewegungen, MenschenrechtsverteidigerInnen und Kleinbauern geben. Ein dauerhafter Frieden kann nur mit sozialer Gerechtigkeit einhergehen. Dazu gehören die seit langem beschlossene Landrückgabe und eine dringend erforderliche Landreform. Das betrifft die kolumbianische Regierung, aber auch Industriestaaten wie Deutschland, die durch massive Rohstoffimporte wie Palmöl und Kohle aus Kolumbien direkt zu Landgrabbing und Vertreibungen beitragen.

linksfraktion.de, 4. April 2016