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Freital – Rassismus ist keine Meinung

Im Wortlaut von Jörn Wunderlich,

Von Jörn Wunderlich, Abgeordneter aus Sachsen für die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

 

 

Seit Wochen wird in Freital demonstriert. Eigentlich haben Demonstrationen etwas Gutes, weil sie für etwas werben oder auf Missstände aufmerksam machen wollen. Nur wenn dabei menschenverachtende und rassistische Parolen und Ansinnen geäußert werden, sollte der „Spaß“ sein Ende haben.

Warum immer wieder Sachsen, warum ist die Zahl von Angriffen auf Flüchtlinge, auf Asylunterkünfte und die Zahl von flüchtlingsfeindlichen Kundgebungen in Sachsen überproportional groß? Naturgegeben? Weil im Dritten Reich Sachsen auch schon eine Nazihochburg war? Damit würde man es sich zu einfach machen. Die Gründe liegen woanders. Es hat zu lange Verständnis für rechte Gewalt, Rassismus und Intoleranz gegeben.

Ignoranz gegenüber rechter Gewalt

Jahrelang wurden Opfer von rechter Gewalt als schuldige Provokateure hingestellt, die Hilfe von der Regierung nicht erwarten konnten. Wenn einem von der Stadtverwaltung entgegnet wird  „Wenn die Bunten (Jugendlichen) nicht wären, hätten wir auch keine Probleme mit den Rechten“, zeigt dies deutlich die Ignoranz gegenüber rechter Gewalt.

Die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Rassisten/Rechtsextremen hat zu lange funktioniert, was am Beispiel des NSU wohl inzwischen allen deutlich geworden sein dürfte.

Über die dramatische Situation der Flüchtlinge ist eine sachgerechte offene Information der Bevölkerung zu lange unterblieben und bleibt es nach wie vor. (Wieviel Prozent der Sachsen kennt beispielsweise die katastrophale politische Lage in Eritrea?)

Man kann nicht alles aussitzen und nach dem Motto (nicht-)agieren „es wird sich schon richten“. Wenn monatelang bekannt ist, dass Flüchtlinge in Sachsen ankommen, aber eine Planung der Unterbringung ohne Beteiligung der davon betroffenen Bevölkerung nicht durchgeführt wird, muss es nicht verwundern, dass die Menschen dann, wenn sie unvermittelt vor vollendete Tatsachen gestellt werden, auf die Straße gehen, was an PEGIDA deutlich geworden ist.

Nichts wird besser, wenn wir Flüchtlingen nicht helfen

Aus Gründen, die nicht vorhanden sind. Kein Hartz-IV-Regelsatz wird angehoben, wenn wir Flüchtlingen nicht helfen. Kein Schulessen wird beitragsfrei, wenn wir Flüchtlingen nicht helfen. Die medizinische Versorgung und der ÖPNV werden auch nicht besser, wenn wir Flüchtlingen nicht helfen.

Wir leben in einem Staat, der zu den reichsten Industrienationen der Welt zählt und wollen den Ärmsten der Welt nicht helfen. Weil wir von unserem Wohlstand, der mit Ursache für das Elend der restlichen Welt ist, nichts abgeben wollen. Wollen wir lieber weiter Waffen in Länder exportieren, damit wir anschließend aus diesen Ländern die Kriegsflüchtlinge aufnehmen können?

Der Wahnsinn regiert und die finanzielle Schieflage in der Bundesrepublik (Schere zwischen Arm und Reich) wird von rechten Rattenfängern genutzt, um die Gruppe der Armen gegen die Gruppe der geflüchteten noch ärmeren Menschen aufzuhetzen.

Mehr Gemeinsinn

Die Demonstranten sollten vor den Landtag ziehen und für eine bessere Politik demonstrieren, als ihre ohnmächtige Wut über Missstände an den unschuldigen Flüchtlingen auszulassen. Aber soweit muss man erst einmal denken und das scheint vielen dieser Demonstranten schwerzufallen. Was aber nicht verwundert, da die Sächsische Regierung konstruktivem und kritischem Denken eher skeptisch gegenüber steht. Womit wir wieder beim Anfang wären und sich der Kreis schließt. In Sachsen hat es viel zu lange Verständnis für Rassismus gegeben. Und Empathie ist in dieser Gesellschaft schon beinahe aus dem Vokabular gestrichen.

Hier gilt es anzusetzen, in Politik auf allen Ebenen, in der Bildung, im Sozialwesen. Mehr Gemeinsinn als Eigennutz und das für alle Menschen, gleich welcher Religion, Hautfarbe oder Staatsangehörigkeit.

Es ist nie zu spät. Freital ist ein erschreckendes Zeugnis für eine fehlgeleitete und desorientierte empathielose Gesellschaft, in welcher jeder nur an sich denkt. Es ist allerhöchste Zeit umzulenken.

Rassismus muss gesellschaftlich geächtet werden. Rassismus ist keine Meinung, Rassismus ist, war und bleibt ein Verbrechen.


linksfraktion.de, 9. Juli 2015