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Freier Eintritt in unsere Museen – ein "spektakulärer Vorschlag"? Nein, eine Selbstverständlichkeit!

Im Wortlaut von Sigrid Hupach,

Von Sigrid Hupach, kulturpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

In der Mitte Berlins baut der Bund gemeinsam mit dem Land Berlin das „ambitionierteste Kulturvorhaben der Republik“, wie die Beauftragte für Kultur und Medien, Monika Grütters, nicht müde wird zu betonen. Für mindestens 595 Millionen Euro Gesamtkosten entsteht das Humboldt Forum im äußerlich rekonstruierten Berliner Schloss.

Bisher mangelte es vor allem an einem inhaltlichen Konzept, das klargestellt hätte, welche baulichen Bedingungen nötig sind, um nicht nur eine repräsentative Hülle an einen prestigeträchtigen Ort zu stellen, sondern ein Forum zu gestalten, dass die Namensgeber, die in Deutschland absolut unterschätzten Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt, wirklich ernst nimmt. Und das ist der im April 2015 berufenen Gründungsintendanz um Neil MacGregor, Hermann Parzinger und Horst Bredekamp auf schlaue Weise gelungen.

Am 2. November haben sie am Beispiel einer ersten Ausstellung in der Humboldt-Box endlich vorgestellt, wie sie an diesem Ort die Geschichten der Welt und die großen Fragen vergangener wie heutiger Zeiten erzählen und in Dialog bringen wollen.

Keinesfalls nebensächlich, sondern ganz zentral dabei ist der freie Eintritt: „Wenn das Humboldt-Forum ein Forum für die Bürger sein soll, dann kann es diese wichtige Rolle in der Stadt nur spielen, wenn der Eintritt kostenlos ist." Und das ist richtig so!

Schon die Kosmos-Vorlesungen von Alexander von Humboldt vor fast 200 Jahren waren offen für alle und ohne Eintritt. MacGregor, von dem das Zitat stammt, kennt die Wirkungen des freien Eintritts aus Großbritannien nur zu gut: die Museen haben sich dort in den letzten 15 Jahren zu sozialen Treffpunkten entwickelt, Bildungserfahrungen eingeschlossen. Auch wir LINKE machen uns seit langem für diese – kulturpolitisch wichtige und sozial gerechte – Idee stark, zuletzt mit einem Vorschlag zu einem Berliner Modellprojekt in den Haushaltsverhandlungen für 2017.

Museen – das Humboldt Forum wie die vielen anderen kleinen und großen Häuser in den Metropolen wie in den ländlichen Räumen – sind die zentralen Orte unseres kulturellen Erbes, des Wissens und der Bildung, des Konflikts und des Dialogs, der Selbstvergewisserung und der Neugier. Schon deswegen muss es ein Anliegen sein, den Zugang zu ihnen so niedrigschwellig wie möglich zu gestalten – für Menschen gleich welchen Alters, welches Bildungsabschlusses, welcher Herkunft, erst recht für Familien mit Kindern und für sozial Benachteiligte.

Und für alle, die nur fiskalisch denken können: die Einrichtungen sind ja schon öffentlich über Steuergelder und damit von den Bürger*innen finanziert. Sie haben ihren Eintritt quasi schon im Voraus bezahlt.

„Kulturnation“ hin oder her, Kulturelle Teilhabe und kulturelle Bildung stellen in Deutschland bei weitem nicht die Realität vieler Menschen dar. Das zeigen aktuell die Ergebnisse der Studie „Armutsfolgen für Kinder und Jugendliche“ der Bertelsmann Stiftung oder auch die Studie der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, die die Bildungsabschlüsse von Besucher*innen des Folkwang Museum in Essen untersucht hat: 66,5% von ihnen hatten einen Hochschulabschluss, lediglich 0,6% einen Hauptschulabschluss. Ein Grund, so die Studie, für die institutionelle Distanz von Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss ist die Höhe des Eintrittsgeldes.

Die Museen waren gerade im Vermittlungsbereich lange Zeit Vorreiter – und hatten daher umso mehr unter dem zunehmenden Ökonomisierungsdruck zu leiden und unter der blauäugigen Forderung aus der Politik, zu sparen, koste es, was es wolle. In dieser marktradikalen Logik mussten immer spektakulärere Sonderausstellungen zu Publikumsmagneten werden, die genuinen Aufgaben aber, das Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln, wurden nicht entsprechend honoriert.

Dabei ist es gerade wichtig, die öffentlichen Einrichtungen als Orte frei zugänglichen Wissens zu stärken. Neben der baulichen Ertüchtigung und der Übernahme der Betriebskosten gehören dazu eben auch mehr Fachpersonal, höhere bzw. überhaupt Ankaufetats, mehr Mittel für den Erhalt und die Pflege der Bestände, eine abgestimmte Strategie für die Digitalisierung oder eben auch der freie Eintritt. Dabei geht es nicht nur ums Geld, sondern vor allem um das Selbstverständnis dieser Einrichtungen und unserer Gesellschaft.

Der Bund kann nun mit einem freien Eintritt fürs Humboldt Forum und die von ihm in Berlin finanzierten Häuser mit gutem Beispiel vorangehen und die Bedeutung öffentlicher Museen als Bildungseinrichtungen und als soziale Treffpunkte für alle unterstreichen.   

Die Zeit ist so günstig wie selten zuvor: die Kulturstaatsministerin hat sich bereits für den Vorschlag der Gründungsintendanz ausgesprochen. Rot-Rot-Grün hat sich in den Berliner Koalitionsverhandlungen zumindest auf ein Zeitfenster für freien Eintritt verständigt. Die Betriebskosten fürs Humboldt Forum wie für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz müssen ohnehin aufgestockt werden, da ließe sich die Gegenfinanzierung des freien Eintritts mit einrechnen – denn angesichts des gesamtgesellschaftlichen Nutzens sind diese „Kosten“ eher gering. Und siehe die Pannen bei so manchem Großbauprojekt in Berlin: Geld ist genug da.