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Fragen zur Ostrente unerwünscht?

Im Wortlaut von Dagmar Enkelmann,

Bundestagspräsident lässt Nachfragen zur Rentenangleichung nicht zu.

Bundestagspräsident Lammert hat keine dringlichen Fragen der Linksfraktion zur Zukunft der Ost-Renten in der gestrigen Fragestunde des Parlaments zugelassen. Ignoranz oder Hilflosigkeit?

Eher, Ignoranz. Möglicherweise ist das für den Bundestagspräsidenten tatsächlich kein Thema.

Dabei ist es in aller Munde ...

Herr Lammert hat das ja zunächst versucht, formal zu begründen und gesagt, weil es um einen Zeitraum bis mindestens 2020 geht, sei die Dringlichkeit der Fragen nicht geboten. Das ist freilich mitnichten der Fall. Es gibt ein aktuelles Papier aus dem Arbeitsministerium mit der Prognose, vor 2020 tut sich in Sachen Ost-West-Angleichung nichts. Heute wird der Jahresbericht zur Deutschen Einheit vorgelegt. Die Ost-Ministerpräsidenten haben gestern auch über die Renten beraten. Es gebe genug Gründe, sich damit im Parlament zu beschäftigen.

Vielleicht ist die Bundesregierung doch hilflos, so lange nach der Einheit ohne Lösung zu sein?

Das mag sein. Zumal ja einige Mitglieder der Bundesregierung sich schon sehr weit vorgewagt haben. Der für den Osten zuständige Minister Wolfgang Tiefensee hat vor Kurzem gefordert, dass es 19 Jahre nach der Wende endlich mal einen Weg für die Angleichung der Renten geben müsse.

Da hat Tiefensee ausnahmsweise mal Recht.

Da hat die LINKE ihm auch zugestimmt. Nur, bislang liegt kein konkreter Fahrplan vor. Die Ost-Premiers erklären plötzlich, man solle es nicht zu rasch machen - so, als deuten 19 Jahre nicht eher auf ein Schneckentempo.

Warum sind die Ost-Ministerpräsidenten jetzt Bremser?

Die sagen, sie befürchten, dass dann weniger für die Rentner rauskommt, weil sie offenkundig davon ausgehen, dass die Höherbewertung der Ost-Verdienste dann automatisch wegfällt. Das sieht aber die Bundesregierung anders. Und auch wir gehen davon aus, dass es diese Höherbewertung noch geben muss, solange es unterschiedliche Einkommen in Ost und West gibt und ein Großteil der Biografie in der DDR liegt, wo vergleichbare Einkommen für bestimmte Berufsgruppen niedriger lagen als im Westen.

Warum also die Bedenken der Ost-Regierungschefs?

Möglicherweise befürchten sie, dass auch die Länderhaushalte zur Kasse gebeten werden.

Um welche finanzielle Größenordnung handelt es sich denn?

Das haben wir kürzlich in einer Kleinen Anfrage nachgefragt. Die Bundesregierung antwortete, dass die Angleichung der Rentenentgeltpunkte Ost an das Westniveau sechs Milliarden Euro kosten würde. Sechs Milliarden für eine vierjährige Angleichung sind pro Jahr anderthalb Milliarden. Das wäre im Haushalt wirklich vorhanden.

Es ist keine Lösung in Sicht, hat denn DIE LINKE eine?

Bei dem beschriebenen Finanzaufwand könnte nach unserer Vorstellung die Angleichung der Rentenentgeltpunkte Ost bis 2012 bewältigt sein. Gegenwärtig sind sie 12 Prozent geringer als im Westen. Das sind schon Größenordnungen. Und betroffen sind nicht nur jetzige Rentner, sondern alle, die heute im Osten beschäftigt sind und künftig mit einer niedrigeren Rente auskommen müssen.

Da kann man fast verstehen, dass derlei Fragen im Bundestag unerwünscht sind.

Ja vielleicht hat Lammert doch die Brisanz erkannt.

Fragen: Gabriele Oertel

Neues Deutschland, 13. November 2008