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Flüchtlinge haben Recht auf diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung

Im Wortlaut von Harald Weinberg,

 

Von Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE

 

Menschen fliehen zu uns, weil weite Teile ihres Landes durch Krieg zerstört wurden wie in Syrien oder ihr Leben durch Bürgerkriege und Stammesfehden bedroht ist wie in Westafrika. Sie entkommen politischer Verfolgung in repressiven Regimen wie Eritrea. Meist haben sie eine beschwerliche und gefährliche Reise hinter sich. Es sind Frauen, Männer, Familien oder sogar unbegleitete Kinder, Jugendliche – Menschen, die in ihrer Heimat nicht mehr leben können. Oft sind sie schwerst traumatisiert nach Folterungen, Massenvergewaltigungen, Gewalt und Hunger. Flüchtlinge und Asylsuchende haben Anspruch auf ein faires Verfahren zur Prüfung ihres Antrags auf Asyl bei uns und sie haben ein Anrecht auf eine menschenwürdige Behandlung.

Doch wie sieht es in der Realität aus? In den ersten 15 Monaten ihres Aufenthaltes haben Asylsuchende nur eine mangelhafte medizinische Versorgung. Obwohl sie oft in einem schlechten Gesundheitszustand und nach Folter oder sexualisierter Gewalt psychisch belastet sind, sind sie nicht krankenversichert. Leistungen erhalten sie nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Bevor Asylsuchende eine ärztliche Praxis aufsuchen dürfen, müssen sie zum Sozialamt. Dort entscheiden medizinische Laien, ob ein Behandlungsbedarf besteht oder nicht. Und ob es sich um einen chronischen oder akuten Krankheitszustand handelt. Medizinisch ist das keineswegs eindeutig definiert. Menschen in höchster Not sind bei uns schlecht versorgt und dem Good Will einer fachlich unkundigen Behörde ausgesetzt.

Das Menschenrecht auf Gesundheit ist durch internationale Abkommen garantiert, die die Bundesrepublik ratifiziert hat. Die Einschränkung der gesundheitlichen Versorgung widerspricht dem Grundrecht der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes. Denn diese Grundsätze gelten für alle hier lebenden Menschen, ungeachtet der Nationalität oder des Aufenthaltsstatus.

In den Bundesländern Bremen und Hamburg wurde bereits ein anderer Weg eingeschlagen. Asylbewerberinnen und -bewerbern wird eine Gesundheitskarte der AOK ausgehändigt, so dass sie bei Krankheit direkt zu Ärztinnen und Ärzten gehen können. Die Kosten übernimmt weiterhin die Sozialhilfe. Dieses Modell hat bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Dadurch wurde eine menschenwürdige Versorgung von Menschen in Not ermöglicht. Als Nebeneffekt konnten in den Sozialämtern Personal- und Bürokosten eingespart werden: In Bremen über eine Million Euro im Jahr.

Die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag macht nun Druck auf die Bundesregierung, bundesweit eine Lösung auf den Weg zu bringen. Unser Antrag „Medizinische Versorgung für Asylsuchende und Geduldete diskriminierungsfrei sichern“ wurde in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht und wird im Herbst abschließend beraten. Wir fordern darin, die bundesgesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, dass in allen Bundesländern eine umfassende medizinische Versorgung von Asylsuchenden und Flüchtlingen etabliert werden kann.

Seit Januar 2015 kündigt die Bundesregierung an, dass sie die Voraussetzungen dafür prüft – auch auf Druck der Länder, vor allem Thüringen und Brandenburg. Bisher ist nichts passiert. Stattdessen teilt die Bundesregierung mit, dass sie Verbesserungen lediglich für besonders schutzbedürftige Asylbewerberinnen und -asylbewerber plant (Kinder, Folteropfer, Traumatisierte). Die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag fordert, eine schnelle Lösung für alle Asylsuchenden und Geduldeten auf den Weg zu bringen. Bei Menschen in einer Notlage darf nicht abgewägt werden, ob jemand mehr oder weniger schutzbedürftig ist. Flüchtlingen und Asylsuchenden darf der Weg zur gesundheitlichen Regelversorgung nicht länger versperrt werden.

linksfraktion.de, 3. Juli 2015