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»Flickschusterei« am EU-Vertrag beginnt

Im Wortlaut von Diether Dehm,

Regierungskonferenz soll bis Oktober das Verfassungsprojekt vor endgültigem Scheitern retten

Die EU-Regierungen haben mit der juristischen Feinarbeit am geplanten neuen EU-Grundlagenvertrag begonnen. Die EU-Außenminister beriefen am Montag in Brüssel eine auf drei Monate angesetzte Regierungskonferenz unter Vorsitz der portugiesischen EU-Präsidentschaft ein.

Brüssel (Agenturen/ND). Mit den Vertragsänderungen sollen nach offizieller Darstellung wesentliche Verbesserungen der 2005 bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheiterten Verfassung umgesetzt werden.

Zum Start der Verhandlungen über den neuen EU-Reformvertrag hat Polen die europäische Grundrechtecharta in Frage gestellt. Warschau will prüfen, ob der Bürgerrechtskatalog mit nationalem Recht vereinbar ist, wie die polnische Außenministerin Anna Fotyga am Montag beim Treffen mit ihren EU-Kollegen in Brüssel ankündigte. Offen ist, inwieweit das die Arbeit der Regierungskonferenz verzögert. Experten der 27 EU-Staaten sollen den Reformvertrag ab diesem Dienstag aushandeln. Er soll die gescheiterte Verfassung ersetzen. Der portugiesische EU-Vorsitz will die Verhandlungen bereits im Oktober abschließen. Die Grundrechtecharta war ursprünglich das Herzstück der bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden gescheiterten Verfassung. Der neue EU-Vertrag soll den Bürgerrechtskatalog erstmals rechtsverbindlich machen. Großbritannien hatte beim EU-Gipfel im Juni allerdings eine Ausnahme erwirkt. Auch Polen und Irland behielten sich im Entwurf für den Reformvertrag einen Ausstieg aus der Grundrechtecharta vor, wie ein Diplomat erläuterte.

Von »Flickschusterei an einem bereits gescheiterten Reformvorhaben« sprach die Linksfraktion des Bundestages. Der europapolitische Sprecher Diether Dehm erklärte zu der Regierungskonferenz der EU: »Die europäischen Regierungen befinden sich auf der Flucht vor der eigenen Wahlbevölkerung. Mit allen Mitteln wollen sie Referenden in den Staaten der EU verhindern.«

20 europäische kommunistische und Arbeiterparteien fordern in einem gemeinsamen Aufruf, den EU-Vertrag »den Wählerinnen und Wählern in allen EU-Ländern zur Entscheidung vorzulegen«. Sie kritisieren, dass dieser Vertrag »durch eine Regierungskonferenz hinter verschlossenen Türen ausgehandelt und angenommen werden« soll.

Neues Deutschland, 24. Juli 2007