Von Michel Brandt
Seit Jahren kämpft die Fraktion DIE LINKE für ein Lieferkettengesetz, damit Unternehmen nicht länger von miserablen Arbeitsbedingungen, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen in ihrem globalen Wirtschaften profitieren können. Nach einem eineinhalbjährigen Streit in der Koalition, gab es am Freitag schließlich eine Einigung zwischen Arbeitsminister Heil (SPD), Entwicklungsminister Müller (CSU) und Wirtschaftsminister Altmaier (CDU). Doch Grund zum Korken knallen gibt es kaum. Der Entwurf bleibt weit hinter den Erwartungen der Zivilgesellschaft und unseren Forderungen zurück. Altmaier, und damit auch die Konzernlobby, konnte sich in mehr oder weniger allen Punkten durchsetzen. Die SPD hat klein beigegeben und das Gesetz durch einige Akzente nach einem Kompromiss klingen lassen.
Zum einen sollen ab 2023 gerade mal 600 Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitenden in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen, ab 2024 werden es 2.891 Betriebe mit 1000 Angestellten sein. Dadurch bekommt das Gesetz einen massiven blinden Fleck und macht nur circa 0,1 Prozent der deutschen Wirtschaft für die Menschenrechte verantwortlich. Zum anderen fällt nur die erste Stufe der Lieferkette effektiv unter das Gesetz. Über den direkten Zulieferer hinaus muss sich das Unternehmen nur kümmern, wenn es eine „substantiierte“ Beschwerde gibt.
Keine zivilrechtliche Haftung vorgesehen
Ein besonders schwerer Schlag ist, dass der Gesetzesentwurf keine zivilrechtliche Haftung vorsieht. Um wirksam zu sein, braucht ein Gesetz Umsetzungsmechanismen. Das ist aber offenbar nicht gewollt. Das gefeierte Zugeständnis der Koalition sieht vor, dass zivilgesellschaftliche Organisationen und Gewerkschaften das Recht bekommen, unter dem bestehenden, unzureichenden, internationalen Privatrecht zu klagen. Das ist zwar eine Verbesserung zum Status quo, die Hürden sind aber noch immer zu hoch und das anzuwendende Recht unvorteilhaft.
Durch die fehlende zivilrechtliche Haftung wird die Wirksamkeit des Gesetzes davon abhängen, wie genau die Kontrollbehörde hinsehen und wie stark sie das Instrument der Bußgelder nutzen wird. Das dafür vorgesehene Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist allerdings dem Wirtschaftsministerium unterstellt und vertritt somit dessen Interessen. Dass es hierbei unweigerlich zu einem Interessenskonflikt kommen muss, zeigt sich sehr gut am Beispiel der Rüstungsexporte. Das BAFA soll deren Endverbleib in den Empfängerländern kontrollieren, was sie seit seiner Beauftragung 2016 jedoch kaum getan hat. Laut Entwurf wird die Behörde außerdem gerade mal mit 65 zusätzliche Vollzeitstellen ausgestattet. Ab 2024 sollen diese dann bewältigen, knapp 3.000 Unternehmensberichte hinreichend zu prüfen und gewissenhafte Kontrollen entlang der Lieferkette dieser Unternehmen durchzuführen. Zuversicht und Vertrauen in die gute Arbeit des BAFA bleibt dementsprechend aus.
Die Koalition beweihräuchert sich selbst und lobpreist ihren Kompromiss als großen Fortschritt für die Menschenrechte. Das Gesetz wird am 17. März im Kabinett ohne weitere Debatte durchgewunken werden und geht dann in die erste und zweite Lesung im Bundestag. Inwieweit das Gesetz eine echte Verbesserung für die Menschen entlang der Lieferkette darstellen wird, bleibt abzuwarten. Die aufgeführten Knackpunkte geben allerdings Grund zur Sorge. Es ist natürlich ein wichtiger Schritt, dass menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen gesetzlich festgeschrieben werden. Doch wenn es keinen wirksamen Mechanismus gibt, um die Umsetzung dieser Pflichten zu kontrollieren, bleibt das Gesetz ein Feigenblatt. Nicht nur werden Unternehmen die Menschenrechte nicht schützen, wenn es sich für sie weiter rechnet. Sie können sich sogar hinter dem Gesetz verstecken und sich als ethisch handelnde Akteure präsentieren.
Fraktion wird »Nachlässigkeitsgesetz« so nicht mittragen
Es folgt also der Blick nach Brüssel, wo momentan eine EU-weite Lieferkettenverordnung ausgearbeitet wird. Wenn diese weiterreichender ist als das deutsche Gesetz, muss die Bundesregierung auf nationaler Ebene nachbessern. Das wird die deutsche Vertretung in der EU sicherlich zu verhindern suchen, doch es gibt für uns noch ein Handlungsfenster.
Sicher ist: Die Fraktion DIE LINKE wird das ausgehandelte „Nachlässigkeitsgesetz“ so nicht mittragen. Wir fordern ein wirksames Gesetz, das für alle deutsche Unternehmen und für die gesamte Lieferkette gilt. Es braucht umfangreiche zivilrechtliche Haftungsregeln, Verbands- und Kollektivklagerechte und ein Unternehmensstrafrecht.