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Europa ohne Wettbewerbsdogma

Im Wortlaut von Alexander Ulrich,

Von Alexander Ulrich, für DIE LINKE Mitglied im Europaausschuss des Bundestages

 

 

 

Mit der bisherigen, vor allem von der deutschen Regierung geprägten, EU-Politik wurde die wirtschaftliche Krise immer weiter verschärft. Zugleich wurde eine tiefe soziale Krise ausgelöst. Durch massive Kürzungsprogramme wurde in Teilen der Eurozone eine Rekordarbeitslosigkeit verursacht. Dadurch sinken die Einkommen und die Nachfrage. Vor allem kleine und mittlere Betriebe gehen pleite, Arbeitslosigkeit und Einkommen sinken weiter. Zugleich gehen die Steuereinnahmen zurück und die Schulden steigen. Da parallel zur steigenden Arbeitslosigkeit die Sozialstaaten abgebaut werden, kommt es zu sozialen Verwerfungen, wie sie Europa seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat: Armutsquoten von 30 Prozent, rasant steigende Obdachlosigkeitsquoten, eine rückläufige Lebenserwartung und gigantische Lücken in der Gesundheitsversorgung sind wieder Teil des europäischen Alltags geworden.

Ein grundlegender Richtungswechsel der EU-Krisenpolitik ist also bitter nötig. Auf dem EU-Gipfel am 24. und 25. Oktober werden die Staats- und Regierungschefs die bisherige Linie jedoch weiter fortschreiben und sogar intensivieren. Mit dem REFIT-Programm werden unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus Arbeitnehmerrechte und Gesundheitsstandards abgebaut. Mit dem so genannten Wettbewerbspakt sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, Jahr für Jahr neue, neoliberale Reformprogramme aufzulegen. Und mit der Bankenunion wird das System der permanenten Bankenrettung aus Steuergeldern verfestigt und internationalisiert. Gespickt wird diese zutiefst neoliberale Agenda mit ein paar inhaltsleeren Phrasen zur "sozialen Dimension der Währungsunion".

Dabei hätte der Europäische Rat durchaus die Macht, effektiv gegen die Krise und ihre sozialen Folgen vorzugehen. Dazu müsste allerdings vor allem die deutsche Regierung von ihrem neoliberalen Wettbewerbsdogma abrücken. Die EU braucht weder Bankenrettungen noch eine immer weitere Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Um die Krise zu überwinden, braucht es:

  • eine umfassende Umverteilung des Wohlstands. Das Vermögen des reichsten Prozentes der Gesellschaft übersteigt vor allem dank gigantischer Spekulationsgewinne die öffentliche Verschuldung deutlich. Eine europaweit koordinierte Vermögensabgabe könnte helfen die Schulden abzubauen ohne damit soziale Notlagen zu verursachen.
  • eine Zerlegung der Großbanken in kleinere Einheiten und eine Vergesellschaftung des Bankensektors. Das Kernproblem im Bankensektor ist die Existenz von Banken, die so groß und mächtig sind, dass sie im Zweifelsfall gerettet werden müssen. Dieses Problem geht die geplante Bankenunion nicht an.
  • eine strenge Regulierung und Besteuerung der Finanzmärkte, die ein Verbot von Hedgefonds, CDS-Spekulation und Leerverkäufen sowie eine Finanztransaktionsteuer umfasst.
  • ein umfassendes Investitionsprogramm, das die Wirtschaft wieder ankurbelt und schwächere Volkswirtschaften unterstützt, zukunftsträchtige Wirtschaftszweige aufzubauen.
  • einen Rettungsschirm für die Menschen, der die sozialen Folgen der Krise durch einen Ausbau der sozialen Sicherungssysteme abmildert und verhindert, dass die Krisenkosten nach unten durchgereicht werden.
  • eine umfassende Demokratisierung aller Entscheidungsebenen, so dass eine Politik im Interesse der Menschen wieder durchsetzbar wird.

All das könnte der Europäische Rat heute und morgen auf den Weg bringen. Stattdessen wird es wohl ein "Weiter so" geben, dass die Interessen von Banken und Großkonzernen bedient, aber jene der Menschen in Europa ignoriert.
 

linksfraktion.de, 24. Oktober 2013