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EU drillt Soldaten für Somalia

Im Wortlaut von Jan van Aken,

Deutschland beteiligt sich an der Ausbildung - ohne Parlamentsauftrag

Von Jan van Aken

Ab dem 7. Mai sollen etwa 150 EU-Militärs 2000 somalische Soldaten in Uganda ausbilden. Ein Schwerpunkt der Ausbildung ist der »Kampf in bebautem Gelände«, also der Kampf gegen Aufständische in der Hauptstadt Mogadischu, in der die Übergangsregierung schon lange keine Kontrolle mehr hat.

Auf die sich zuspitzende Bürgerkriegssituation in Somalia reagiert die EU so eindimensional wie falsch: Sie schickt Soldaten, um Soldaten auszubilden. Auch 13 Bundeswehrsoldaten werden dabei sein.

Eine politische Strategie oder Ideen für einen Friedensplan und zivile Konfliktlösungen hat die EU nicht. Mit der Ausbildung der Soldaten wird die somalische Übergangsregierung (TFG) aufgerüstet, die nach dem mittlerweile gescheiterten Dschibuti- Friedensabkommen 2008 von der UN installiert wurde. Sie ist zwar international anerkannt, aber nicht durch die somalische Bevölkerung legitimiert. Sie kontrolliert nicht einmal ein Viertel von Mogadischu, von einem Gewaltmonopol außerhalb der Hauptstadt ganz zu schweigen. Der Bürgerkrieg hat sich weiter zugespitzt und die Bürgerkriegsparteien haben sich radikalisiert. In einer solchen Situation anstelle einer Wiederbelebung des Friedensprozesses die Aufrüstung einer Konfliktpartei voranzutreiben, trägt eher zur Ver- als zur Entschärfung des Konflikts bei.

Der geplante EU-Militärausbildungseinsatz reiht sich in eine Vielzahl von Ausbildungseinsätzen ein. Äthiopien, Kenia, Ägypten, Großbritannien, Russland, USA und Frankreich haben bereits somalische Streitkräfte bzw. Polizisten ausgebildet oder planen dies. Den größten Einsatz führte Äthiopien durch. Die äthiopische Regierung, die im Dezember 2006 in Somalia einmarschierte (und erst nach dem Dschibuti-Abkommen Ende 2008 zögerlich wieder abzog), hatte zur Unterstützung der Übergangsregierung nach eigenen Angaben 17 000 Soldaten und Polizisten ausgebildet. Ende 2008 waren davon nur noch etwa 3000 im Dienst der TFG. Der Rest soll entweder zu bewaffneten Gruppen übergelaufen, getötet worden oder desertiert sein. Die Monitoring Group on Somalia dokumentiert dies in ihrem Bericht vom Dezember 2008 und konstatiert, dass die Mehrzahl der Soldaten, die desertieren oder überlaufen, ihre Waffen und Uniformen mitnähmen und somit an die 14 000 Waffen auf somalisches Territorium gelangt seien.

Die EU hat im Rahmen der Geberkonferenz 2009 einen ähnlichen Plan noch mit dem Hinweis zurück gewiesen, dass die Gefahr des Überlaufen zu groß sei. Weder die EU noch die Bundesregierung haben auch nur ein einziges Argument vorgebracht, das erklären könnte, warum diese Gefahr heute nicht mehr bestehen soll. Die jetzige Mission droht also vor allem der Weiterverbreitung von Waffen in einem Bürgerkrieg zu dienen, der unter anderem von Äthiopien (für die TFG) und Eritrea (für die Rebellen) ohnehin permanent mit Waffen angeheizt wird.

Seit Jahren argumentieren die UN, aber auch Regierungsvertreter und politische Parteien, dass ein Ende des Bürgerkriegs in Somalia nur über einen Friedensprozess zu erreichen ist. Zur Unterstützung des Friedensprozesses wurde aber kaum etwas unternommen. Die Argumentation war stets: Die somalische Übergangsregierung muss zunächst ein Mindestmaß an Sicherheit und Stabilität schaffen. Hierfür wurde sie nicht nur mit der Ausbildung von Soldaten und Polizisten unterstützt, sondern auch die von der Afrikanischen Union geführte UN-Militärmission AMISOM ins Land geschickt. Nach mittlerweile vier Jahren muss diese Strategie für gescheitert erklärt werden. Hinzu kommt, dass die USA bis heute daran festhalten, durch Angriffe im Rahmen ihres »War On Terror« in Somalia den Konflikt zusätzlich verschärfen.

Anstelle einer weiteren, auch militärisch aussichtslosen Aufrüstung der TFG, müsste ein neuer Friedensdialog angestrebt werden, in den nicht nur die verschiedenen Konfliktparteien, sondern auch Vertreter der wenigen noch verbliebenen zivilgesellschaftlichen Organisationen eingebunden sind. Die einseitige Wahrnehmung Somalias als Sicherheitsproblem - von der Piraterie bis zum behaupteten Unterschlupf von Al Qaida - verstellt den Blick auf Friedensstrategien und führt zu einer rein militaristischen Betrachtungsweise.

Der jetzige EU-Ausbildungseinsatz ist ein weiterer Schritt in Richtung einer Europäischen Union, die weltweit militärisch auf Konflikte reagiert. Schon die EU-Militärmissionen EUFOR-Tschad und ATALANTA erprobten bzw. erproben die neue europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, deren Ziel eine handlungsfähige, militärisch starke EU ist. Während bei ATALANTA der Bundestag befasst werden musste, konnte EUFOR Tschad am deutschen Parlament vorbei unter Beteiligung Deutschlands stattfinden, weil dort keine Streitkräfte eingesetzt wurden und damit das Parlamentsbeteiligungsgesetz nicht zum Tragen kam. Tatsächlich hat Deutschland aber eine nicht unbedeutende Rolle in der Tschad-Mission gespielt. Vier Offiziere haben vom Hauptquartier in Großbritannien aus die Planung und Durchführung der Mission maßgeblich mitbestimmt. Auch für den Einsatz der deutschen Soldaten in Uganda hat die Bundesregierung kein Mandat vom Bundestag. Sie argumentiert, dass eine reine Ausbildungsaufgabe nicht unter das Parlamentsbeteiligungsgesetz fällt, welches vorschreibt, dass der Auslandseinsatz bewaffneter Streitkräfte vom Parlament beschlossen werden muss. Durch diese Lücke hat die Bundesregierung die Möglichkeit, sich durch die Hintertür Europa zunehmend an Auslandseinsätzen zu beteiligen, ohne den Bundestag damit zu befassen und sich der politischen Auseinandersetzung über den Sinn solcher Einsätze stellen zu müssen.

Neues Deutschland, 28. April 2010