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»Etwas bewegen und die Stadt voranbringen«

Im Wortlaut,

Im November 2008 wählten die Schweriner Bürgerinnen und Bürger Angelika Gramkow als erste LINKE zur Oberbürgermeisterin einer Landeshauptstadt. Seither regiert sie erfolgreich, wenn auch unter schwierigen Bedingungen. Bevor sie am 7. Februar die Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag trifft, sprach linksfraktion.de mit ihr über die Situation in Schwerin und wie linke Politik in Zeiten klammer Kassen gestalten kann. 

Am Dienstag besuchen Sie die Bundestagsfraktion in Berlin. Wie unterstützt Sie die Fraktion bei Ihrer Arbeit in Schwerin?

Angelika Gramkow: Am Wichtigsten ist, dass man in Berlin von uns erfährt, wie ernst die Situation in den Städten und Dörfern tatsächlich ist. Es ist ein gutes Gefühl, dass die Bundestagsfraktion die kommunalpolitisch Verantwortlichen nach ihrer Meinung fragt, wenn es mal wieder darum geht, den Kommunen neue Aufgaben zu übertragen, ohne für eine ausreichende Finanzierung zu sorgen, beispielsweise bei der Grundsicherung im Alter oder bei Hartz IV. Die Unterstützung der Fraktion ist jedenfalls toll.

Als Sie vor gut drei Jahren Oberbürgermeisterin in Schwerin wurden, waren Sie die erste Oberbürgermeisterin der LINKEN in einer Landeshauptstadt. Machte dieser Erfolg Ihr Amt leichter oder wog die Verantwortung schwer?

Wenn eine Linke Oberbürgermeisterin wird, dann gibt es viel zu tun und ich merke, dass von mir wesentlich mehr verlangt wird als zum Beispiel von meinem Rostocker Kollegen. Maßstäbe an eine Linke liegen immer um ein Vielfaches höher. Aber es ist eine sehr befriedigende Arbeit. Ich kann etwas entscheiden, etwas bewegen und die Stadt voranbringen. Natürlich wird auch nicht mit Kritik gespart, insbesondere von den anderen demokratischen Parteien in der Stadtvertretung.


Was waren die besonderen Herausforderungen zu Beginn Ihrer Amtszeit?

Das Schönste war die Eröffnung der Bundesgartenschau 2009, das daraus gewachsene neue Wir-Gefühl in unserer Stadt und ihr wirtschaftlicher Erfolg, der Schwerin in diesem Jahr eine  Millionen-Ausschüttung bringt und uns durch unsere neu gegründete Bürgerstiftung nachhaltig zugute kommt. Das darf nicht über die schwierige Haushaltssituation hinwegtäuschen, eigentlich sind wir pleite, nicht darüber, dass die Arbeitslosigkeit in der Landeshauptstadt viel zu hoch ist und zu viele Schwerinerinnen und Schweriner unter Hartz IV leiden, insbesondere Kinder.

Der schwierigen Haushaltslage der Stadt Schwerin zum Trotz: Wie gelingt es Ihnen, die Ideen der LINKEN mit den realpolitischen Gegebenheiten zu vereinbaren?

Das ist schwer, denn es geht bei uns in den Kommunen in erster Linie um Sachpolitik und nicht um die Umsetzung von Parteiprogrammen. Natürlich wissen die Leute, dass ich Linke bin und können von mir erwarten, dass ich Schwierigkeiten klar benenne, für Mindestlöhne kämpfe und diese bei öffentlichen Aufträgen der Stadt auch durchsetze, dass Wohnungslose in der Mitte der Gesellschaft betreut werden und ich die Bürgerinnen und Bürger in die Entscheidungsprozesse einbeziehe.
 

Wo sehen Sie noch Defizite?

Ich möchte, dass es gerecht in unserer Stadt zugeht. Aber Landes- und Bundespolitik machen es uns nicht einfach, immer gerecht zu handeln. So muss ich manchmal Entscheidungen treffen, die man von einer Linken nicht erwartet, muss Gebühren für die Bürgerinnen und Bürger erhöhen oder die Subventionen für Berufsschüler im öffentlichen Nahverkehr streichen. 

Ein Ansatz Ihrer Politik war zu Beginn Ihrer Amtszeit, Bürgerinnen und Bürgern an der Lösung der Probleme zu beteiligen. Ist das gelungen?

In Schwerin gibt es viele Möglichkeiten für einen direkten Draht zur Oberbürgermeisterin. Zum einen sitzt die Ideen- und Beschwerdemanagerin als zentrale Anlaufstelle für Bürgeranliegen mit in meinem Büro und wöchentlich an meinem Beratungstisch. Ich habe regelmäßig Sprechstunden, zu der Bürgerinnen und Bürger mit und ohne Terminvereinbarung kommen können, sogar an Sonnabenden. Ich lade zu Einwohnerversammlungen in den Stadtteilen ein und biete dort auch Bürgersprechstunden an. Zweimal im Jahr kann mich die Internetgemeinde auch in einem moderierten Onlinechat befragen. Und natürlich nutzen viele Schwerinerinnen und Schweriner auch die Gelegenheit, mich einfach auf der Straße anzusprechen, wenn sie ein Anliegen haben.

Was kann eine Stadt wie Schwerin tun, um die Finanzmisere zu verbessern?

Aus eigener Kraft ist das Problem nicht zu lösen. Die Jugend- und Sozialhilfekosten sind aufgrund der hohen Betroffenheit in den Städten besonders hoch. Ohne Entscheidungen des Landes und des Bundes, dass wir unseren Aufgaben entsprechend finanziell ausgestattet werden, geht es einfach nicht. Unsere einzigen Möglichkeiten, selbst unsere Lage zu verbessern, sind die Gewinnung neuer Einwohner durch mehr Zuzüge und Wirtschaftsansiedlungen. An beidem arbeiten wir.

Wie wirken sich die Banken- und Eurokrise auf Schwerin aus?

Wir hatten Kurzarbeit in wichtigen Betrieben, aber zum Glück eine hervorragend aufgestellte Sparkasse, die uns nicht in Stich gelassen hat.

Nicht nur die Stadt ist verschuldet, sondern auch jeder fünfte Haushalt in Schwerin ist überschuldet. Was bedeutet das für das politische Handeln der Oberbürgermeisterin?

Viele Menschen arbeiten den ganzen Tag und können von ihrem Verdienst nicht leben. Deshalb setze ich mich für die Einhaltung von Tarifverträgen und die Zahlung von Mindestlöhnen ein.

Über ein Drittel der Kinder und Jugendlichen lebt in sogenannten Hartz-IV-Familien. Was tun Sie, um ihre Not zu lindern?

Die Probleme der Eltern, sind am Ende auch die Probleme der Kinder. Wir versuchen, ihnen in Schwerin durch sozial gestaffelte Tarife Zugang zu kulturellen Angeboten zu ermöglichen. Mit der sogenannten Schwerin-Card kann man für drei Euro ins Theater gehen und erhält darüber hinaus Ermäßigungen in Museen, in der Volkshochschule und Sternwarte, im Jugendclub, im Zoo, in der Stadtbibliothek, im Konservatorium und in der Schwimmhalle. Das gilt übrigens für Kinder und Erwachsene. Wichtig sind zudem Bildungsinvestitionen und unsere hervorragenden Betreuungsangebote in Krippen, Kitas und Horten, die Eltern auch dann in Anspruch nehmen können, wenn sie wenig Geld haben - dann zahlen wir als Kommune die Betreuungskosten.

In Rostock möchte Ihre Parteifreundin Kerstin Liebich Oberbürgermeisterin werden: Welchen Rat können Sie ihr geben?

Sie soll gewinnen!

linksfraktion.de, 3. Februar 2012