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Es ist was faul im Steuerstaate Deutschland

Im Wortlaut von Richard Pitterle,

 

Von Richard Pitterle, steuerpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Kürzlich sorgte die Meldung für Aufsehen, dass Deutschland einen Spitzenplatz als Steueroase weltweit einnimmt. Viele werden sich verwundert die Augen gerieben, vielleicht an einen Aprilscherz gedacht oder die Palmen vor dem heimischen Fenster gesucht haben. Der Begriff Steueroase ist vermutlich die letzte Bezeichnung, die sich Selbständige oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausdenken würden, wenn der jährliche Gang zum Finanzamt droht.

So abwegig, wie sie auf den ersten Blick anmutet, ist die Meldung aber nicht und eine Beschäftigung mit den Hintergründen angezeigt. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network), eine Nichtregierungsorganisation, die sich für Steuergerechtigkeit und gegen Steuerflucht einsetzt, ermittelt seit vielen Jahren einen sogenannten „Schattenfinanzindex“. Dieser Index soll erkennbar machen, wie hoch die Gefahr dafür ist, dass ein Land ein attraktiver Platz für Schwarzgeldkonten, Geldwäsche und Steuerhinterziehung ist. Und eben auf jener Liste findet sich Deutschland wiederholt unter den Top-Ten der Welt auf Platz 8 mit Ländern wie den Cayman Inseln, Luxemburg oder der Schweiz.

Deutschland bremst

Diesen wenig rühmlichen Spitzenplatz verdankt Deutschland zwei wesentlichen Kriterien. Deutschland ist, nicht zuletzt aufgrund vieler Erleichterungen und Deregulierungen des Kapitalmarktes durch die rot-grüne Koalition, ein attraktiver, großer und international gefragter Finanzplatz geworden. Gleichzeitig ist es um die Transparenz allenfalls mittelprächtig bestellt.

So bemängelt das Netzwerk Steuergerechtigkeit zum Beispiel, dass es mit der Transparenz der Eigentumsstrukturen von Unternehmen nicht weit her sei. Ebenso wird bemängelt, dass hiesige Banken derzeit nicht verpflichtet seien, zum Beispiel Dividendenzahlungen an im Ausland steuerpflichtige Kundinnen und Kunden auch an die dort zuständigen Finanzbehörden zu melden. Als weiteres Negativbeispiel wird das deutsche Stiftungswesen genannt, das Möglichkeiten biete, unversteuertes Geld sicher zu parken.

Festzuhalten bleibt: Das Bild von der deutschen Vorreiterrolle im internationalen Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuerumgehung, das die Bundesregierung so gerne zeichnet, trügt leider. Nicht nur, dass staatenübergreifende Projekte und Abkommen auf diesem Gebiet immer wieder und oft viele Jahre verschleppt werden. Selbst gegenüber Kritik aus Organisationen, denen Deutschland selbst angehört, wie der OECD und der dortigen „Arbeitsgruppe für finanzielle Maßnahmen gegen Geldwäsche“ stellt man sich taub. Und nicht zuletzt sind es häufig sogar Vertreter Deutschlands, die bei europäischen Maßnahmen auf die Bremse treten.

Keine Besserung in Sicht

Zwar hat sich die Bundesregierung nun endlich dazu durchringen können, den automatischen Informationsaustausch für Finanzkonten einzuführen. Damit wird eine seit vielen Jahren erhobene steuerpolitische Kernforderung der LINKEN umgesetzt und die Grundlage geschaffen, dass Finanzbehörden verschiedener Länder automatisiert Informationen über steuerlich relevante Umstände ihrer Steuerzahler im Ausland abfragen können.

Doch schon die vielfältigen Mängel dieses Gesetzes belegen, dass der wahrhaftige politische Wille fehlt, Deutschland als Steueroase der Reichen und Superreichen auszutrocknen. So sollen Vorstände von Bankinstituten bei Übermittlung falscher Auskünfte lediglich eine Geldbuße von 5.000 Euro drohen. Eine Einladung an die Banker, sich für eine gute Geschäftsbeziehung statt für die Auskunftspflicht gegenüber der Finanzverwaltung zu entscheiden. Unzählige Steuergesetze und Regelungen, halb gar und selbst für Profis undurchschaubar, vereinfachen die Steuerflucht für diejenigen, die nicht nur das nötige Kleingeld, sondern damit auch die nötige Motivation haben. Dass der eklatante Personalmangel in der Finanzverwaltung inzwischen dazu führt, dass selbst Steuerbescheide aufgrund simpelster Steuererklärungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mehrere Monate auf sich warten lassen, lässt erahnen, wie hoch die Entdeckungs- und Aufklärungsquote wohl bei kreativen, von hochbezahlten Steuer- und Bankberatern erdachten Steueroptimierungs- und Geldwäschekonstruktionen ist.

Und so muss sich Deutschland zurecht den Vorwurf gefallen lassen, dass der vermeintliche Kampf gegen internationale Steueroasen eigentlich nur ein Verdrängungswettbewerb um den Listenplatz 1 der gefragtesten Steuerparadiese weltweit ist.

linksfraktion.de, 4. November 2015