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Erbschaftsteuerreform - Scheitern mit Ansage

Im Wortlaut von Richard Pitterle,

 

Von Richard Pitterle, steuerpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Aller guten Dinge sind drei! So lautet eine Redensart. Dreimal – ­1995, 2006 und zuletzt 2014 – attestierte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber nun schon, die Verfassung bei der Regelung der Erbschaftsteuer missachtet zu haben. Dreimal war der Gesetzgeber nicht willens oder fähig, die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz, Art. 3 GG, zu achten.

An der Erbschaftsteuer ist bisher aber gar nichts gut  – es sei denn, man gehört zu den 10 Prozent der Gesellschaft, die 70 Prozent des Vermögens haben und auch vererben.

1995 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass Immobilien zu gering bewertet wurden. Das Immobilienvermögen stellt  den größten Posten des (vererbten) Vermögens der Haushalte dar (vgl. Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE) und ist auch bei Betrieben eine erhebliche, aber drastisch unterbewertete Vermögensposition. Geringer Wert gleich geringe Steuern.

2006 warf das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber vor, den Unternehmenswert zugunsten der Erben viel zu gering bewertet zu haben. Geringer Wert gleich geringe Steuern.

2014 wurde das Bundesverfassungsgericht noch deutlicher. Schon allein das vom Gesetzgeber gewährte Ausmaß der Verschonung von Betriebsvermögen war verfassungswidrig: "Verschontes Vermögen" gleich "gar keine Steuern".

Das Ausmaß der Verschonung veranlasste drei Mitglieder des Gerichtes sogar zu einem Sondervotum, in dem sie den Gesetzgeber an das Sozialstaatsprinzip erinnerten: Die Erbschaftsteuer dient dem Gemeinwesen und soll die Anhäufung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner verhindern. So steht es sogar in der bayerischen Landesverfassung.

Die Gründe für das Scheitern des Gesetzgebers sind sehr einfach

Die wahre Ursache ist also nicht etwa die schier unbeherrschbare Komplexität des Erbschaftsteuerrechts. Die wahre Ursache ist der allgegenwärtige Einfluss der Reichsten der Reichen auf die Politik und die Gesetze.

Kürzlich hat eine Untersuchung ergeben, dass die heute reichsten Familien aus Florenz noch dieselben sind, die es vor 600 - nicht 60, sondern sechshundert! - Jahren waren. Dieser Befund ist kein Einzelfall und auch für Deutschland ähnlich.

Ungefähr 300 Milliarden Euro Vermögen werden allein in Deutschland vererbt. Davon landen 5 Milliarden beim Staat. Erben ist damit faktisch unbesteuert und damit die Thronnachfolge in der Familiendynastie gesichert.

Die Lösung ist auch sehr einfach: Die Erbschaftsteuer ist eine Erbanfallsteuer. Das klingt nur kompliziert, wenn „Die Familienunternehmer“, die persönlichen Haus- und Hoflobbyisten der Superreichen, das erklären wollen.

In Wahrheit bedeutet es einfach nur, was sich sofort erschließt: Wie alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Einkommensteuer auf ihren Lohn zahlen müssen, müssen Erbinnen und Erben eben auch auf das zufließende Vermögen Steuern zahlen. Und je größer dieses Vermögen ist, desto größer (sollte) die Steuer (sein).

Wer Unternehmen erbt, erbt nicht nur erhebliches Vermögen, sondern auch eine Einkunftsquelle. Warum sollte das steuerfrei sein? Wer zum Zeitpunkt der Erbschaft noch nicht über genügend Mittel verfügt, um Steuerschulden bezahlen zu können, kann mit dem Fiskus Stundung und Ratenzahlung vereinbaren. Mehr ist nicht nötig.

Oder können Sie sich erinnern, dass Ihnen Einkommensteuerschulden erlassen wurden, weil Sie gerade knapp bei Kasse waren?

Der vierte Anlauf - der letzte ?

Die SPD im Bund hat sich mit der CDU/CSU schlussendlich auf eine Erbschaftsteuerreform geeinigt und durch den Bundestag gepeitscht  –  eine Reform, die keine ist; eine Reform, die das Bundesverfassungsgericht erneut missachtet und 99 Prozent der Unternehmenserbschaften in die Steuerfreiheit entlässt.

Der Bundesrat will nun im Vermittlungsausschuss nachverhandeln, bevor er seine zwingend erforderliche Zustimmung gibt. Es ist aber unklar, wie ein Kompromiss aussehen soll. Aus Sicht der LINKEN und aus Sicht der den Vermittlungsausschuss anrufenden Länder müsste das Gesetz grundlegend geändert werden. Die LINKE fordert die Streichung der Verschonung betrieblichen Vermögens. Stattdessen ist nach einer Bedürfnisprüfung die Stundung einzuräumen, sollte eine sofortige Zahlung der Erbschaftsteuer nicht möglich sein.

Ohne Zustimmung des Bundesrats scheitert das gerade verabschiedete Gesetz. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht nur die Verschonungsregeln für Betriebsvermögen verworfen, sodass das Erbschaftsteuergesetz weiter gilt. Ein Scheitern der Verhandlungen könnte aber der CDU/CSU die letzte Ausflucht liefern, die Erbschaftsteuer insgesamt in Frage zu stellen: ein Ziel, auf das die Familienunternehmer schon lange hinarbeiten.

linksfraktion.de, 12. Juli 2016