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E.on will Endesa übernehmen: Internationale Konzentration als Ergebnis der Öffnung des Strom- und Gasmarktes in Europa

Nachricht von Herbert Schui,

Herbert Schui, Wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE., zu Hintergründen und Folgen der Konzentrationsprozesse bei den Energieunternehmen, wie sie sich in der geplanten Übernahme der spanischen Endesa durch E.on darstellen, und die Verantwortung der Politik.

Mit der geplanten Übernahme des spanischen Energieversorgers Endesa durch E.on wird eine allgemeine Tendenz deutlich: Die Gewinne der Konzerne entwickeln sich bei niedrigen Löhnen, geringen Gewinnsteuern und hohen Preisen prächtig. Doch was tun mit den Gewinnen? Sind sie die Investitionen von morgen, die Beschäftigung von übermorgen und damit legitimiert? Diese Hoffnung kann sich nicht erfüllen: Die Investitionschancen im Inland sind zu gering. Es fehlt an Nachfrage der Lohnempfänger und des Staates - wegen der geringen Lohneinkommen und Steuereinnahmen. Folglich besteht kein Anlass zu investieren und die Kapazitäten zu erweitern. Auch der technische Fortschritt ist nicht so revolutionär, dass er Motiv sein könnte für eine stürmische Investitionstätigkeit.

Also müssen die Konzerne einen anderen Ausweg finden, um ihre Gewinne rentabel anzulegen. Die Lösung heißt Zukäufe im In- und Ausland. Deren Zweck ist in den allermeisten Fällen nicht die Verlagerung der Produktion ins Ausland, sondern der Kauf eines Unternehmens mit seinem Markt und seinen Absatzkanälen. (Der Kauf von Rover durch BMW ist hierfür ein Beispiel - und auch ein Beispiel dafür, dass es nicht immer gut geht.) Die Übergewinne also sind der Ausgangspunkt für den Poker um Übernahmen und Fusionen. Die deutschen Unternehmen haben in diesem Poker kräftig mitgeboten: Von 1991 bis 2001 ist der Bestand an deutschen Direktinvestitionen im Ausland (genauer: der Bestand an direkten Anteilen am Nominalkapital ausländischer Unternehmen - das ist die am meisten aussagefähige Größe) von 56 auf 211 Milliarden Euro gestiegen. Nach einer Phase der Beruhigung geht es dann im Jahr 2005 wieder los: In den ersten beiden Monaten des Jahres 2006 sind 52 Zukäufe deutscher Unternehmen mit einem Wert von rund 100 Milliarden Euro zu verzeichnen. (Die Welt 22.2.2006)

Dass die Energiekonzerne bei diesen Geschäften eine sehr bedeutende Rolle spielen, ist nicht zuletzt eine Folge der Öffnung der europäischen Strom- und Gasmärkte zu Beginn der 90er Jahre. Diese Richtlinie hat die Voraussetzung für den Kauf ausländischer Energieunternehmen - nach deren Privatisierung - geschaffen. Begründet wurde diese Richtlinie mit mehr Wettbewerb und niedrigeren Preisen. Das Ergebnis sieht anders aus: Die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes kritisiert die hohe Konzentration auf dem europäischen Strom- und Gasmarkt. Dies sei der Grund für mangelnden Wettbewerb. Das es so kommen musste, war schon beim Erlass der Richtlinie vorauszusagen.

Noch aber ist der Kauf von Endesa durch E.on nicht unter Dach und Fach. Die spanische Regierung will offenbar das Eindringen von E.on in den spanischen Markt verhindern und lieber die beiden spanischen Energieunternehmen Endesa und Gas Natural vereint sehen. Die Energieversorgung soll eher eine nationale Angelegenheit bleiben.

Die deutsche Regierung sieht die Sache anders. Sie scheint den Plan von E.on mit einer gewissen Begeisterung aufzunehmen: Immerhin informierte Bundeskanzlerin Merkel den spanischen Regierungschef vorab von den Übernahmeplänen. Und auch für Wirtschaftsminister Glos scheint die Übernahme eine Sache des nationalen Interesses zu sein: „Wenn sich so große Konzerne bilden, so Glos, dann ist es sicher kein Nachteil, wenn dieser Energiekonzern seinen Sitz in Deutschland hat.“ Weiter wünscht er sich, „dass die Verbraucher bald wieder in den Genuss von günstiger Energie kommen.“ Wie Konzentration und niedrige Preise zusammengehen, sollte er allerdings noch erläutern.

Doch nicht nur die spanische und die deutsche Regierung sind bei der Konzernpolitik mit von der Partie: E.on blicke bei weiteren Zukäufen, so die Konzernzentrale, auch in Richtung Russland. Ob damit eine Beteiligung an Gasprom oder doch wenigstens eine enge Kooperation gemeint ist? Wenn dieser Plan spruchreif wird, dann ist Schröder neben der deutschen Regierung mit von der Partie. All dies ist ein guter Grund, (wieder) über den Zusammenhang von Großwirtschaft und Politik nachzudenken. Eines aber steht schon jetzt fest: Vermehrte Gewinne wegen niedriger Löhne und Gewinnsteuern können im Binnenland nicht als zusätzliche Kapazitäten investiert werden: Denn es fehlt Nachfrage - finanziert aus Steuereinnahmen und Löhnen. Folglich finanziert der Verzicht auf öffentliche Leistungen (die durch Gewinnsteuern finanziert werden könnten) und der Verzicht auf Lohn die internationale Konzentration. Damit nimmt die wirtschaftliche Macht der Konzerne zu - und im selben Zug ihre politische Macht. Konzentration wirkt sich eben nicht nur auf die Preise aus, wie dies die Verbraucherverbände beklagen. Weniger politische Macht bedeutet allerdings weniger politische Gestaltungsmöglichkeiten. Eine Privatwirtschaft ohne unabhängige Politik als Gegenpol aber versagt bei der Aufgabe, die wirtschaftlichen Möglichkeiten für mehr allgemeinen Lebensstandard zu nutzen.

Das Godesberger Programm der Sozialdemokraten von 1959 hat es auf den Punkt gebracht: „Mit ihrer durch Kartelle noch gesteigerten Macht gewinnen die führenden Männer der Großwirtschaft einen Einfluss auf Staat und Politik, der mit demokratischen Grundsätzen nicht vereinbar ist. Sie usurpieren Staatsgewalt. Wirtschaftliche Macht wird zu politischer Macht. (...) Diese Entwicklung ist eine Herausforderung an alle, für die Freiheit und Menschenwürde, Gerechtigkeit und soziale Sicherheit die Grundlagen der menschlichen Gesellschaft sind.“