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Entkriminalisierung von Abhängigen ist vorrangiges Ziel

Kolumne von Frank Tempel,

Von Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

An was denken Sie, wenn über Drogen gesprochen wird? Den meisten Menschen kommen dann zum Beispiel Ausschnitte des Films "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" in den Sinn. Hier wird die tragische Geschichte der drogenabhängigen Christiane Felscherinow - besser bekannt als Christiane F. - aus der Gropiusstadt  in Berlin-Neukölln erzählt. In der Tat verbindet man mit dem Wort Drogen fast ausschließlich den missbräuchlichen Konsum von illegalisierten Drogen wie Cannabis, Speed, MDMA, Kokain oder Heroin.

Drogen sind aber viel mehr als das. Jeden Tag werden in Deutschland eine ganze Reihe von Drogen konsumiert. Sie sind Bestandteil unserer Gesellschaft. Der Illegalisierung bestimmter Drogen steht ein liberaler Umgang mit den weit verbreiteten Drogen Alkohol und Tabak gegenüber, obwohl über 73 000 Menschen jährlich an den Folgen von Alkoholmissbrauch sterben. Die sozialen Kosten des Alkoholkonsums belaufen sich auf 27 Milliarden Euro, die des Tabakkonsums bei 33 Milliarden Euro. Mindestens 110 000 Menschen sterben jährlich an den Folgen von regelmäßigem Tabakkonsum oder sogenanntem Passivrauchen. Die Alkohol- und Zigarettenindustrie sowie die darauf orientierte Werbebranche sind wichtige Wirtschaftszweige mit Milliardenumsätzen und hohen Steuerabführungen an den Staat. Sie verursachen aber deutlich höhere soziale Kosten, als an privaten Gewinnen generiert werden. Insgesamt liegen die sozialen Kosten des Konsums von illegalisierten Drogen hingegen bei 5,2 Milliarden Euro. Da nach allen internationalen Erfahrungen der Konsum von bisher illegalisierten Drogen nach einer Legalisierung nicht wesentlich anstieg, können durch einen effektiven staatlichen Jugend- und Verbraucherschutz die Kosten im Bereich der bisher legalen, wie auch im Bereich der bisher illegalisierten Drogen vermindert werden.

Aber nicht nur aus Gründen der Kosten setzt sich DIE LINKE für eine Entkriminalisierung der Drogenkonsumierenden ein, was ebenso eine langfristige Legalisierung aller Drogen bedeutet.

Es ist schlichtweg nicht vermittelbar, warum es beispielsweise beim Verkauf von Alkohol einen funktionierenden Jugend- und Verbraucherschutz gibt – er soll verhindern, dass Minderjährige Alkohol konsumieren, und garantiert, dass in einer Flasche auch wirklich Alkohol enthalten ist – und gleichzeitig 4 Millionen Cannabis-Konsumierende der Gefahr ausgesetzt werden, mit dem Cannabis-Konsum gefährliche Streckmittel wie Klebstoff, Glas, Sand, Brix oder Schimmel mit einzunehmen. Dabei sagt die Illegalisierung von bestimmten Drogen nichts über deren Gefährlichkeitsgrad aus. So existiert im Bereich des Cannabis eine Suchtgruppe von ungefähr 220 000 Menschen. Im Verhältnis zur Anzahl der Konsumierenden fällt diese also klein aus. Todesfälle aufgrund vom Cannabis-Konsum sind bis heute, im Gegensatz zu Alkohol, nicht bekannt. Grund für das Suchtverhalten ist weniger der Stoff, als vielmehr das soziale Umfeld der Konsumierenden.

Ich selbst bin als Kriminaloberkommissar im Bereich der Rauschgiftkriminalität zum Schluss gekommen, dass die bisherige Strafverfolgung der Konsumierenden keinerlei Effekt auf deren Konsumverhalten erzielt, diese aber dadurch unverhältnismäßig kriminalisiert werden. Zusammen mit der Sprecherin für Gesundheits- und Suchtpolitik der Fraktion, Martina Bunge, setzte ich mich daher für eine massive Veränderung innerhalb der Drogen- und Suchtpolitik von Deutschland ein, die den doppelten Standard zwischen legalen und illegalisierten Drogen aufhebt.

DIE LINKE ist keinesfalls dafür, dass es an jeder Straßenecke Drogen zu kaufen gibt. Ganz im Gegenteil: Nach unseren Vorstellungen einer akzeptierenden Drogenpolitik wären die Dealenden an der Straßenecke oder im Park ein Phänomen der Vergangenheit. Unser Antrag zur Einführung von Cannabis-Klubs macht deutlich, dass wir die Möglichkeit eröffnen, unter staatlicher Kontrolle den Konsum von bisher illegalisierten Drogen in Deutschland zu ermöglichen. Die Nutzung von Cannabis muss in unseren Augen einem konsequenten Werbeverbot unterliegen, um nicht zur Verharmlosung der Droge beizutragen. Davon ist unter der schwarz-gelben Bundesregierung bei Alkohol und Tabak wenig zu finden.

Bei bisher illegalisierten, so genannten harten Drogen wollen wir ebenso den Jugend- und Verbraucherschutz garantieren. So könnten Heroin-Abhängige die Möglichkeit erhalten, sauberen Stoff nach Vorlage eines Rezeptes vom Arzt in der Apotheke zu erhalten.

"Im Grundsatz wollen wir eine Gesellschaft, die nicht auf Strafe und Repression gegen Drogenkonsumentinnen und -konsumenten setzt, sondern die mit Prävention auf Aufklärung dem Drogenmissbrauch vorbeugt", heißt es nun im Programm der Partei DIE LINKE. Dabei setzen wir auf das vorrangige Ziel der Entkriminalisierung von Abhängigen. Gerade Abhängige leiden am stärksten unter der aktuellen Drogenpolitik, die für sie eine weitere Kriminalisierung bedeutet.

Ein weiterer Effekt der repressiven Drogenpolitik ist die Stärkung international agierender Drogenkartelle, die durch den unkontrollierten Schwarzmarkthandel Milliardengewinne erzielen können. So wird der Umsatz im Drogenhandel auf 312,6 Milliarden US-Dollar beziehungsweise auf einen Reingewinn von 220 Milliarden US-Dollar geschätzt. Diese Gelder werden zum Großteil für die Geldwäsche genutzt. Ihr Volumen beträgt in Deutschland über 7 Milliarden Euro. Somit wird die Volkswirtschaft durch kriminelle Organisationen, Korruption und Wirtschaftskriminalität unterwandert.

Eine völlige Legalisierung aller Drogen und die staatlich beaufsichtigte Abgabe würde ein radikaler Schnitt mit dem althergebrachten Umgang mit Drogen bedeuten. Die absehbaren, positiven Effekte sind evident: Durch Entzug der Einnahmen für international agierende Drogenkartelle wird der illeagle Drogenmarkt zusammenbrechen. Durch die Drogenmafia zerrüttete Staaten wie Mexiko werden stabilisiert. Drogenkonsumierende werden nicht mehr der Gefährdung durch giftige Streckstoffe und schwankende Wirkstoffgehalte ausgesetzt. Der durch die Illegalisierung entstandene Kreislauf von immer neuen synthetischen Stoffen wäre ebenso erfolgreich durchbrochen. Die bisher zur Strafverfolgung der Konsumierenden bereitgestellten Mittel können in Präventions- und Aufklärungskampagnen zur Verhütung von Drogenmissbrauch fließen.