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Einzelhandel – Mehr als jeder dritte Beschäftigte schuftet für Niedriglohn

Nachricht von Pascal Meiser,

Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von MdB Pascal Meiser "Arbeitsbedingungen und Entlohnung im Einzelhandel"


Zusammenfassung

 

  • Beschäftigung: Der in der letzten Dekade erfolgte Zuwachs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Einzelhandel (+18% von 2,04 Mio. auf 2,4 Mio. Beschäftigte im Einzelhandel insgesamt) war vor allem auf den Anstieg im Teilzeitbereich zurückzuführen (+58,8% auf 1,2 Mio.); die Teilzeitquote stieg von 37% deutlich auf knapp 50% (s. 1.)
  • AufstockerInnen: Während in der Gesamtwirtschaft die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten AufstockerInnen zurückging, stieg er im Einzelhandel um gut 13% auf gut 68 000; ursächlich dafür war zum einen der Anstieg im Bereich der aufstockenden Teilzeitbeschäftigten (+65% auf jetzt 52 000), zum anderen der Anstieg der aufstockenden Azubis um gut +8% auf knapp 6 000 (s. 3.)
  • Befristungen (ohne und mit Sachgrund) stiegen absolut und prozentual deutlich. Ihr Anteil an allen Beschäftigten im Einzelhandel stieg von 3,1% auf 3,9% (ohne Sachgrund) bzw. von 1,1% auf 1,3% (mit Sachgrund). 40% aller Neueinstellungen sind befristet. (s. 2)
  • Die Leiharbeit wuchs um +74%, der Anteil an der Beschäftigung im Einzelhandel von 0,96% auf 1,55% (s. 4).
  • Überstunden: Im Einzelhandel so viele Überstunden wie 48 791 Vollzeit-Stellen. Bei den Überstunden gab es sowohl in der Gesamtwirtschaft als auch im Einzelhandel ein bemerkenswertes Phänomen: Die geleisteten Arbeitsstunden gingen zw. 2016 und 2017 zurück, aber die bezahlten und unbezahlten Überstunden stiegen absolut (sowohl im Einzelhandel als in der Gesamtwirtschaft); in der Gesamtwirtschaft war der Anstieg bei den bezahlten Überstunden stärker als im Einzelhandel (+57,3%/+51,8%); umgekehrt bei den unbezahlten Überstunden (Gesamtwirtschaft/ Einzelhandel: +24,8%/+28,2%; s. 7).

Allein mit den unbezahlten Überstunden hätten 2017 auf Basis der in diesem Jahr durchschnittlich tatsächlich in Vollzeit geleisteten Arbeitsstunden (1 642,6 h) 21 395 Vollzeitstellen geschaffen werden können; mit allen Überstunden (bezahlt und unbezahlt) sogar 48 791 Stellen (s. 6.)

  • Der Niedriglohnanteil lag lt. aktuellster Angaben von 2014 bei 21,4% in der Gesamtwirtschaft; im Einzelhandel betrug er 36,6%. Mit 976 000 Beschäftigten sind fast eine Mio. im Einzelhandel NiedriglöhnerInnen. In den neuen Bundesländern arbeitete mit 48,9% fast jede/r Zweite zu Niedriglöhnen (s. 9).
  • Die Tarifbindung im Einzelhandel ging zw. 2009 und 2018 weiter von 33% auf 22% zurück (s. 7).
  • Lohn bzw. Gehalt: Bruttomonatsentgelte: Die Mediane der Bruttomonatsentgelte der sozialversicherungsvollzeitbeschäftigten Kerngruppe stiegen zw. 2008 und 2017 im Einzelhandel um 0,8%-Punkte stärker als in der Gesamtwirtschaft. Dennoch wuchs in der letzten Dekade der Betrag, um den die Bruttomonatsentgelte im Einzelhandel gegenüber der Gesamtwirtschaft zurückblieben, um 119 Euro von 625 auf 744 Euro – die Löhne im Einzelhandel koppelten sich damit weiter von der allgemeinen Entwicklung ab (s. 8).

 

Dazu erklärt Pascal Meiser, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag:

"Es ist nicht akzeptabel, dass mehr als jeder dritte Beschäftigte im Einzelhandel nur einen Niedriglohn bekommt, und das, obwohl die Umsätze und Gewinne in den letzten Jahren allen Unkenrufen zum Trotz unter dem Strich gestiegen sind. Deshalb haben die Verkäuferinnen und Verkäufer meine volle Unterstützung in der laufenden Tarifauseinandersetzung. Die Bundesregierung darf die Verkäuferinnen und Verkäufer in dieser Auseinandersetzung nicht länger alleine lassen und muss zumindest dafür sorgen, dass Tarifverträge leichter für eine ganze Branche für allgemeinverbindlich erklärt werden können und auf diesem Wege auch im Einzelhandel dem Lohndumping ein Riegel vorgeschoben wird.

Die aktuellen Zahlen zeigen jedoch auch, dass die Probleme im Einzelhandel noch viel tiefgreifender sind. Offensichtlich haben immer mehr Einzelhandelsunternehmen keine Skrupel, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unsichere Beschäftigungsverhältnisse zu pressen. Wer es zulässt, dass immer mehr Beschäftigte unfreiwillig in Teilzeit oder auf Abruf arbeiten müssen, muss sich nicht wundern, wenn sie hinterher ihren Lohn beim Jobcenter aufstocken müssen, um über die Runden zu kommen. Deshalb braucht es dringend einen Rechtsanspruch auf eine arbeitsvertragliche Mindeststundenzahl für Teilzeitbeschäftigte und ein Verbot der unwürdigen Arbeit auf Abruf."


Ergebnisse im Einzelnen (PDF)