Zum Hauptinhalt springen

"Eine Verelendungsstrategie lehne ich ab"

Im Wortlaut von Bodo Ramelow,

Linken-Fraktionsvize Bodo Ramelow über die Vorteile des Regierens - und Bischöfe auf PDS-Parteitagen

Die neue Linke geht nicht gerade zimperlich miteinander um: Linkspartei/PDS und die Wahlalternative streiten sich in Berlin und in anderen Bundesländern heftig. Geht Ihnen die WASG auf die Nerven?
Im Gegenteil, ich bin sehr motiviert. Ich halte die momentanen Differenzen für überschaubar. Natürlich hat der Fusionsprozess der Linkspartei/PDS mit der WASG Ecken und Kanten. Das ist am Anfang einer neuen Partei immer so.

Was wäre denn die Konsequenz, wenn PDS und WASG in einem Bundesland als Konkurrenten antreten?
Ich bin stoisch: Das wird nicht stattfinden.

Würde sonst der Zusammenschluss der beiden Kräfte zu einer Partei gefährdet?
Ja. Ich glaube aber nicht, dass sich in Berlin die Kräfte in der WASG durchsetzen, die eine gemeinsame Liste bei den Wahlen verhindern wollen. Ich hoffe, dass sich bald diejenigen zu Wort melden, die endlich mal über eine gemeinsame Politik für die Stadt reden wollen.

Auch der WASG-Bundesvorstand fordert, dass es kein Weiter-so in Berlin geben darf. Wie wollen Sie unter diesen Voraussetzungen zusammenarbeiten?
Die Linkspartei/PDS hat als Volkspartei im Osten immer noch zu wenig Selbstbewusstsein entwickelt, die eigene Politik offensiv zu vertreten. Unsere Regierungsvertreter in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern müssen deutlicher machen, warum wir dort mitregieren, warum das richtig ist, aber auch warum was nicht erreicht worden ist. Wir müssen sagen, was unser politisches Pfund ist. Ich finde es untauglich, wenn Leute von der WASG sagen, Regieren an sich sei schlecht. Wir können doch keine Verelendungsstrategie fahren, nach dem Motto: Dann soll doch die CDU regieren, dann wird alles schlecht und irgendwann steht die betroffene Bevölkerung auf und macht Revolution. Von so einer Politik halte ich gar nichts.

Was für Sanktionen haben Sie in der Hand, wenn die WASG sich in einigen Bundesländern nicht einsichtig zeigt?
Es geht nicht um Sanktionen, sondern um die Bildung einer neuen Partei. Da finanziere ich als Bundeswahlkampfleiter logischerweise nur Wahlkämpfe, die gemeinsam geführt werden.

Hat die Linksfraktion im Bundestag eine Sonderrolle eingenommen?
Manche wollen uns sicher in eine Sonderrolle bringen. Wir decken ja auch ein anderes Spektrum ab: Wir wollen die Linke neu ausprägen, uns nicht wie alle anderen in der Mitte orientieren.

Die Linke hat sich in eine Schmollecke zurückgezogen, nachdem Lothar Bisky nicht Bundestagsvizepräsident wurde.
Wir sitzen nicht in der Schmollecke, auch wenn es natürlich die Gefahr gibt, sich in der Rolle der Ausgegrenzten einzurichten. Doch wie sagte Erich Kästner so schön: Man soll nicht den Kakao trinken, durch den man gezogen wird. Schon die besondere Situation der Opposition erfordert ja, den Kontakt mit anderen Fraktionen zu suchen - auch wenn wir uns im politischen Alltag hart bekämpfen.

Wie geht es denn nun weiter mit dem Bundestagsvizepräsidenten?
Ganz entspannt. Der Posten steht uns zu, wir haben das Vorschlagsrecht. Wir werden davon Gebrauch machen, wenn wir es für sinnvoll halten. Ich nehme an, das wird nicht vor dem Parteitag im April 2006 sein. In der Fraktion haben wir das aber noch nicht besprochen. Eines ist klar: Es gibt nur einen, der einen Vorschlag machen darf - Lothar Bisky.

Bei all den Personalquerelen der letzten Woche hat man inhaltlich von der Linksfraktion nicht allzu viel gehört.
Moment, die ganze CIA-Affäre hat ihren aktuellen parlamentarischen Anfang in einer Anfrage der Linken genommen. Wir sind dabei, uns inhaltlich aufzustellen. Immerhin haben wir die Bundestagsfraktion, die ja ein mittelständischer Betrieb ist, innerhalb von vier Wochen aus dem Boden gestampft. Die anderen Fraktionen können auf einem funktionierenden Betrieb aufbauen. Da sind wir im Nachteil.

Sie sind als gläubiger Christ kirchenpolitischer Sprecher der Linksfraktion geworden. Wollen Sie neue Milieus für die Linkspartei erschließen?
Na ja, ich bin nicht der einzige Christ in unseren Reihen, aber wohl der bekannteste. Vor kurzem habe ich mich mit Bischöfin Maria Jepsen getroffen. Ich freue mich auf den Tag, an dem es normal sein wird, dass die Bischöfin auf unserem Parteitag ihre Auffassung zum Kapitalismus darlegt, abgeleitet aus der Bibel. Und gleichzeitig unsere Vertreterin der Kommunistischen Plattform, Sahra Wagenknecht, bei der Industrie- und Handelskammer zum Jahresempfang eingeladen wird, um über die EU-Dienstleistungsrichtlinie zu reden.

Die Fragen stellten Cordula Eubel und Matthias Meisner.

Der Tagesspiegel, 8. Dezember 2005