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Eine hundertprozentige Überwachung ist nicht nur technisch möglich, sondern die Regel

Nachricht von Martina Renner,

Von Stephan Martin

Die gestrige Vernehmung Zeugen der Dr. Fechner, der beim BND zuständige Abteilungsleiter „Technische Aufklärung“, und des BND-G-10 Juristen verlief nach einem altbekannten Muster: Einerseits beteuerten die BND-Zeugen, bei der Telekommunikationsüberwachung habe sich der Geheimdienst zu 100 Prozent an Recht und Gesetzt gehalten, die Daten der betroffenen Bürgerinnen und Bürger seien weder an die NSA, noch an andere Geheimdienste weitergegeben worden. Und andererseits stellte sich schnell heraus, dass diese Beteuerungen bloße Lippenbekenntnisse sind und mit der Realität wenig zu tun haben. Denn in der Realität musste der G-10-Jurist des BND einräumen, dass eine G-10 Anordnung eine hundertprozentige Erfassung aller Daten der Betroffenen ermögliche. Schließlich, so der Zeuge, würden die Kommunikationsdaten deutscher Bürgerinnen und Bürger ja auf der gesetzlichen Grundlage einer jeweiligen Anordnung der dafür zuständigen G-10 Kommission vom BND erfasst und verarbeitet.

Die bei derartigen Überwachungen eventuell mit erfassten Daten von Ausländern sind dabei nach Auffassung des BND nicht geschützt und könnten, so der Zeuge, deshalb auch gleich mit genutzt werden. Dass es die sogenannte 20 Prozent-Regelung des § 10 Abs.4 Artikel-10-Gesetz dem BND eigentlich verbietet,  100% der Datenmenge aus einer leitungsgebundenen Kommunikation zu verarbeiten, scheint in der Praxis des BND – und in der Rechtsauffassung des gestrigen Zeugen – keine Rolle zu spielen. Auch die Erfassung von Metadaten stellt den BND offensichtlich nicht vor rechtliche Probleme. Denn diese seien, so der G-10-Jurist des BND gestern vor dem Untersuchungsausschuss,  nur mit erheblichem Aufwand einer bestimmten Person zuzuordnen und erst ab diesem Moment rechtlich geschützt.  Und der ehemalige Abteilungsleiter „Technische Aufklärung“, Dr. Fechner, musste eingestehen, dass seine Aussage, der BND habe sich zu 100 Prozent an Recht und Gesetz gehalten, einen Schönheitsfehler hat: Fechner räumte ein, dass er nicht vor Ort gewesen sei und sich auf die Angaben seiner damaligen Untergebenen verlassen habe.

Martina Renner, Obfrau der Fraktion im NSA-Untersuchungsausschuss, weist daraufhin, dass die Aufklärungsversuche hinsichtlich der offenbar engen Zusammenarbeit zwischen BND und Bundeswehr derzeit durch die Ausschussmehrheit blockiert werden: „Die Große Koalition stellt sich in bewährter Manier vor die Ministerien.“ In einer der letzten Sitzungen hatte ein BND-Mitarbeiter im Rahmen seiner Vernehmung alle Mitglieder des Ausschusses mit der Aussage überrascht, dass Rohdaten der Auslandsaufklärung des BND mit dem Verteidigungsministerium geteilt werden. Allerdings konnten sich die Abgeordneten bislang selbst kein Bild von der zu diesem Zweck zwischen dem BND und dem Verteidigungsministerium geschlossenen Vereinbarung machen. Denn ein entsprechender Beweisantrag, den wir gestern gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen eingereicht haben, wurde gestern aufgrund des Widerstands der Großen Koalition nicht verabschiedet.