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Ein unvergleichliches Verbrechen an der Menschheit

Im Wortlaut von Petra Pau,

Petra Pau, Vizepräsidentin des Bundestages und Mitglied des Vorstandes der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, sieht im \\"Holocaust keine reine Vergangenheit, sondern zugleich eine ständige Herausforderung für die Zukunft\\".

Der Bundestag gedenkt alljährlich am 27. Januar der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee und damit auch der Holocaust-Opfer ...

... konkret seit 1996. Das geht übrigens auf eine Initiative der damaligen PDS-Gruppe im Bundestag zurück.

Warum gerade der Bezug auf Auschwitz?

Auschwitz ist ein Synonym für den Holocaust, für den industriellen Massenmord an Jüdinnen und Juden, für ein unvergleichliches Verbrechen an der Menschheit.

Sie sind zeitgleich zur Gedenkstunde des Bundestages in Auschwitz.

Ich vertrete als Vizepräsidentin den Bundestag bei den offiziellen Gedenkfeiern in Polen. Und ich sprach am Tag zuvor auf einem internationalen Symposium in Krakau zum Thema „Erinnerungskultur und Zukunft“.

Was war Ihre Botschaft?

Es waren zwei. Imre Kertész sprach 2007 im Bundestag. Er hat den Holocaust überlebt, und er ist Literatur-Nobelpreisträger. Sinngemäß mahnte er: Was vordem unvorstellbar war, ist geschehen und was einmal geschah, kann wieder geschehen. Insofern ist der Holocaust keine reine Vergangenheit, sondern zugleich eine ständige Herausforderung für die Zukunft.

Die zweite Botschaft?

Ich gehöre - wie die meisten heute - zu einer Generation, die an den Verbrechen des NS-Regimes keinerlei Verantwortung trägt. Man sollte den Nachgeborenen auch keine NS-Schuld aufbürden, übrigens auch nicht den zahlreichen Migrantinnen und Migranten, die inzwischen in Deutschland leben. Aber wir tragen eine nicht delegierbare Verantwortung dafür, dass sich das einmal Geschehene niemals wiederholt.

In diesem Jahr ist der Präsident Israels, Shimon Peres, Gastredner im Bundestag. Das ist angesichts des Nah-Ost-Konflikts unter Linken nicht unumstritten.

Auch Shimon Peres ist Überlebender des Holocaust. Nahezu seine gesamte Familie wurde durch das NS-Regime umgebracht, also durch Deutsche. Ich bin dankbar, dass er die Größe aufbringt und im deutschen Bundestag spricht.

Gleichwohl gibt es den Nah-Ost-Konflikt, und zwar aktuell.

Richtig ist: Eine Lösung im Nah-Ost-Konflikt ist nicht in Sicht, und daran hat der Staat Israel ein gerüttelt Maß Mitschuld. Das kritisiere ich ausdrücklich. Aber wir gedenken am 27. Januar der Millionen Jüdinnen und Juden, die ermordet wurden, nur weil sie Jüdinnen und Juden waren. Das ist ein bislang einmaliges Verbrechen. Und es wurde in Berlin beschlossen, koordiniert und von hier ausgehend exekutiert. Wir erinnern also auch an die Tat und an die Täter. Davon abzulenken, hielte ich für instinkt- und schamlos.

Interview: Rainer Brandt

linksfraktion.de, 27. Januar 2010