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»Ein Rückfall in schlimmste Adenauer-Zeiten«

Im Wortlaut von Jan Korte,

Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag abend einen Antrag von SPD und Grünen zurückgewiesen, die »Extremismusklausel« zu streichen, die Projektträger gegen Rechtsextremismus verpflichten soll, eventuelle Kooperationspartner auf Verfassungstreue zu überprüfen. Welche Auswirkungen hat diese Klausel in der Praxis?

Jan Korte: Zum einen, daß diejenigen, die zum Teil seit Jahren mit viel Engagement gegen Rassismus und Rechtsextremismus arbeiten, verunsichert sind: Sie werden dadurch aufgefordert, ihre Mitstreiter zu überprüfen und auszuspionieren. Das ist ein riesiger Skandal, den das Bundesfamilienministerium unter Kristina Schröder (CDU) zu verantworten hat.

Sie werfen der Ministerin vor, mit dieser Regelung CDU-Gremien »quer zu subventionieren«. Wie muß man das verstehen?

Das hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion selbst mitgeteilt: In ihrem Extremismuswahn bezahlt sie z.B. der Konrad-Adenauer-Stiftung mit je 90000 Euro zwei Symposien zu Linksextremismus und islamischem Extremismus. Dazu muß man wissen, daß diese CDU-Einrichtung ohnehin eine der größten und am üppigsten finanzierten Stiftungen der Bundesrepublik ist. Anderes Beispiel: Die Junge Union hat mit Geldern aus diesem Topf offenbar Sauffahrten nach Berlin finanziert.

Kooperationspartner sollen also auf Verfassungstreue überprüft werden – wie will Familienministerin Schröder so Rechtsextremismus, Neofaschismus und Rassismus bekämpfen?

Was sie sich dabei denkt, weiß ich auch nicht. Aber mit dieser Bestimmung zeigt sie wieder einmal, daß sie erstens nicht die geringste Ahnung davon hat, wie die Arbeit gegen Rechtsextremismus in diesen Initiativen läuft. Und zweitens stellt sie damit unter Beweis, in welchem Maße sie von ideologischen Wahnideen besessen ist. Dieser Rückfall in schlimmste Adenauer-Zeiten läuft darauf hinaus, genau diejenigen zu schwächen, die effektiv gegen Rassismus und Rechtsextremismus vorgehen.

Pikanterweise wurde am selben Donnerstag auch noch ein Antrag der Koalitionsfraktionen durchgestimmt, der sich positiv auf die »Charta der Heimatvertriebenen« bezieht. Das ist ein Dokument aus den 50er Jahren, das damals auch ranghohe SS-Mitglieder unterzeichnet haben. Zu diesem Vorgang fällt mir eigentlich gar nichts mehr ein – außer, daß ich mich frage, wer denn hier ein Extremismus-Problem hat.

Die Linksfraktion hatte am Donnerstag abend einen eigenen Antrag eingebracht, der dann aber an die Ausschüsse zur Beratung überwiesen wurde. Worin unterscheidet sich der Linken-Antrag von denen der Grünen und der SPD?

Die Linksfraktion hat sich schon immer energisch gegen den Rechsextremismus eingesetzt – meine Kolleginnen Ulla Jelpke und Petra Pau z.B. arbeiteten im Innenausschuß seit Jahren mit großem Engagement an diesem Thema. Erfreulich ist, daß bei dieser Problematik alle drei Oppositionsfraktionen an einem Strang ziehen. In der Stoßrichtung haben diese Anträge den selben Inhalt, wenn auch andere Schwerpunkte. Lange Rede, kurzer Sinn: Hier gibt es eine vernünftige Kooperation mit SPD und Grünen.

Warum war kein gemeinsamer Antrag aller drei Oppositionsfraktionen möglich?

In diesem Falle ist es sinnvoll, daß sie zeitlich versetzt ihre Anträge eingebracht haben – so wird das Thema auch längere Zeit am Kochen gehalten. Ich bin mir sicher, daß wir in den entscheidenden Fragen mit einer Stimme sprechen.

In einer Pressemitteilung hatten Sie ein »Nachspiel« zu der erwähnten Quersubventionierung angekündigt. Wie soll das aussehen?

Wir werden auf jeden Fall in Form von Anfragen, Berichten im Innenausschuß und vor allem auch in den Medien und der Öffentlichkeit immer wieder nachfassen, was mit diesen Geldern eigentlich geschieht. Ich zum Beispiel habe meinen Wahlkreis in Sachsen-Anhalt und frage mich, wo es z.B. im ländlichen Raum islamistische Umtriebe gibt und welchen Sinn die Ankündigung von Frau Schröder macht, Projekte gegen den Islamismus zu fördern, den es hier gar nicht gibt. Das, was Frau Schröder da vorhat, hat nicht die geringste politische Substanz und nur das Ziel, von echten Problemen wie Sozialabbau, Hartz IV und Kriegseinsätzen abzulenken.

 

Interview: Peter Wolter

junge Welt, 12. Februar 2011