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»Ein Beispiel für ehrliche und zuverlässige Politik«

Interview der Woche von Ulrich Maurer,

Ulrich Maurer, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, über die Drangsalierung von Hartz-Beziehenden, die Mär vom Niedriglohnerfolg, den Medienhype um die Piraten und darüber, worauf sich DIE LINKE besinnen sollte

 

Ex-Kanzler Schröder fordert eine Agenda 2030, um Deutschland langfristig auf Wachstumskurs zu halten. Was halten Sie davon?

Ulrich Maurer: Gerhard Schröder hat als Politiker die Agenda 2010 verbrochen. Die unsozialen Folgen sind bekannt: die Einführung der Hartz-Gesetzgebung, die Entlastung der Großkonzerne und die Rentenkürzung, die er als Rente mit 67 tarnte. Wenn er jetzt auch noch als offizieller Vertreter eines Großkonzerns eine Agenda 2030 fordert, muss jedem sozial denkenden Demokraten Angst und Bang um die Bundesrepublik werden.


Wie man gerade sieht, hat Schröder mit Hartz IV ein wirksames Instrument hinterlassen, um die in Schach zu halten, die auf Leistungen angewiesen sind. Mehr als 912 000 Sanktionen wurden im vergangenen Jahr gegen Hartz-Beziehende erlassen. Das ist Rekord.

Gerhard Schröder hat immer dafür gesorgt, dass es Unternehmen und Großkonzerne besser geht. Entweder man unterstützt Großunternehmen, wie es Schröder und danach auch Merkel betrieben hat, und hofft darauf, dass sich die Vergünstigungen auf den Preis auswirken, was nachweislich nicht gemacht worden ist, oder man fördert die Nachfrage, wie es DIE LINKE fordert. Dann haben die Wählerinnen und Wähler mehr Geld in der Tasche und können sich überlegen, welches Produkt sie kaufen möchten.


Glaubt man der Bundesregierung, ist es gerade dem niedrigen Lohnniveau und den Wachstumsraten der Exportindustrie zu verdanken, dass Deutschland so glimpflich durch die Krise gekommen ist.

Zum einen ist die Krise noch längst nicht ausgestanden. Zum anderen handelt es sich bei dem Erfolg des niedrigen Lohnniveaus nur um eine Mär. Die Kosten der Krise tragen alle Bürger Europas - aber nicht die Verursacher der Krise, nämlich die Banken und Spekulanten. Somit bleibt auch hier DIE LINKE im Bundestag in der Pflicht, sich wieder als einzige Partei für die Belange der Wählerinnen und Wähler einzusetzen.


Im Saarland demonstrieren CDU und SPD schon einmal, was eine Neuauflage der so genannten Großen Koalition nach der nächsten Bundestagswahl den Bürgerinnen und Bürger bescheren könnte: Sparen, bis es quietscht. Wie erklären Sie, dass Massenproteste wie seinerzeit bei der Einführung von Hartz IV bisher ausbleiben?

Ein Großteil der Betroffenen ist in einem Schockzustand, den Schröder und Fischer eingeleitet haben. Bis auf DIE LINKE vertreten alle anderen Parteien im Bundestag eine Politik über die Köpfe der Bevölkerung hinweg, ob Kriege, soziale Kürzungen. Nur DIE LINKE setzt sich noch für die Interessen der Wählerinnen und Wähler ein.

DIE LINKE ist ein Kind der Hartz-Proteste. Aktuell setzen nicht wenige Menschen ihre Hoffnungen in die Piraten. Womit erklären Sie diesen Zuspruch?

Durch mangelnde Berichterstattung in den Medien erfahren zu wenige Wählerinnen und Wähler, dass wir uns für ihre Interessen einsetzen. Der Hype, der gerade um die Piraten betrieben wird, hat seine Ursache darin, dass niemand weiß, wofür die Piraten stehen. Politisch traten sie in letzter Zeit nur mit der Forderung der Diätenerhöhung in Nordrhein-Westfalen auf. Sie haben ihren Zuspruch von Wählerinnen und Wählern aus allen politischen Richtungen, hauptsächlich aber aus der Gruppe der Nichtwähler. Sie haben noch den Bonus, anders zu sein, den sie selber entzaubern werden.


Wie muss DIE LINKE darauf reagieren?


DIE LINKE muss, unabhängig vom Erfolg der Piraten, darauf hinweisen, dass es schon jetzt eine Partei im Parlament gibt, die sich für die Sorgen und Ängste der Wählerinnen und Wähler stark macht. Während CDU, CSU, SPD, Grünen und FDP den Frieden am Hindukusch verteidigen, steht DIE LINKE für Frieden. Während sie einen Rettungsschirm für Banken auf Kosten der Wählerinnen und Wähler fordern, setzen wir uns für eine Millionärsteuer ein. Während die anderen eine Bildungspolitik betreiben, die die Qualifizierungschancen von dem Geldbeutel der Eltern abhängig macht, wollen wir die gleichberechtigte Chance für jede Schülerin und jeden Schüler, eine so hohe Qualifikation zu erlangen, dass sie alle später von ihrem Lohn leben können.

Am 6. Mai wird in Schleswig-Holstein und am 13. Mai in NRW ein neuer Landtag gewählt. Warum wird DIE LINKE in beiden Landesparlamenten auch weiterhin gebraucht?

Beide Fraktionen der LINKEN in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfahlen sind die einzigen in ihren Landesparlamenten, die sich nicht am Wühltisch um Ministerposten verbogen haben. Sie haben beide bewiesen, dass sie auch nach den Wahlen zu dem stehen, was sie davor versprochen haben. Sie sind damit ein Beispiel für ehrliche und zuverlässige Politik.

linksfraktion.de, 17. April 2012