Zum Hauptinhalt springen

Ein Armutszeugnis

Kolumne von Halina Wawzyniak,

Während anderswo die Netzneutralität festgeschrieben wird, arbeitet Europa am Zwei-Klassen-Internet

Foto: Sascha Nolte




Von Halina Wawzyniak, netzpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Mit einer denkbar knappen Mehrheit von drei zu zwei Stimmen hat die US-Internet-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) Ende Februar eine beachtliche Entscheidung zugunsten der Freiheit des Internets getroffen. Künftig sind Internetanbieter in den USA strengen Regeln unterworfen. Weder dürfen die Anbieter das offene Internet blockieren oder drosseln, noch dürfen sie bezahlte Spezialdienste, die im Vergleich zu anderen Diensten bevorzugt und damit schneller durchgeleitet werden, anbieten. Damit hat sich die FCC nach langer Debatte zur Netzneutralität bekannt.

Beachtlich ist diese Entscheidung vor allem deshalb, weil die Diskussion der letzten Jahre durch viel Lobbyismus seitens der Internetanbieter in eine ganz andere Richtung ging. Man drängte darauf, im Internet Überholspuren einzurichten, um zusätzlich kassieren zu können. Von den eigenen Kunden. Und von Unternehmen, die von einer schnelleren Durchleitung ihrer Daten profitieren würden, z.B. Videostreamingdienste. Man war also auf dem besten Weg zu einem Zwei-Klassen-Internet, in dem die einen die Basis-Funktionen bekommen und die anderen, die es sich leisten können, den vollen Umfang der Internets.

Nun kann man sich die Frage stellen, ob die Entscheidung der FCC irgendeinen Einfluss auf die Festschreibung der Netzneutralität in Europa und Deutschland hat. Da die FCC eine US-Behörde ist und ihre Entscheidungen damit nur für die USA gelten, haben sie natürlich keinen direkten Einfluss auf die Regelungen hier in Europa. Wer sich der Hoffnung hingab, dass jetzt zumindest ein Umdenken in Europa und Deutschland in Sachen Netzneutralität stattfindet, der wurde spätestens letzte Woche enttäuscht. Im EU-Rat hat sich weitgehend die deutsche Position zum Thema Netzneutralität durchgesetzt. Demnach sollen Spezialdienste erlaubt sein, wenn die allgemeine Qualität des Internets nicht darunter leidet.

Die deutsche Bundesregierung versucht dies als Kompromiss zu verkaufen und nennt immer wieder Telemedizin und selbstfahrende Autos als Beispiele für Spezialdienste. Doch die laufen eher außerhalb des offenen Internets auf eigenen Leitungen, eben weil sie eine höhere Bandbreite benötigen. In Wirklichkeit geht es um ganz andere Dienste, nämlich um Spotify, Netflix, T-Entertain und wie sie alle heißen. Mit deren Hilfe wollen die Internetprovider sehr gerne zusätzliches Geld verdienen - zulasten des freien Internets, zulasten der Nutzerinnen und Nutzer, zulasten der kleineren Anbieter solcher Dienste. Wie das aussehen kann, hat die Telekom vor einigen Jahren demonstriert. Da verkündete sie, künftig nur noch Internet-Flatrates anzubieten, die nach dem Verbrauch eines bestimmten Datenvolumens massiv gedrosselt werden. Natürlich sollten aber nicht alle Dienste auf den Datenverbrauch angerechnet werden. Allen voran die Streaming-Dienste der Telekom selbst. Wollten andere Anbieter eine ähnliche Bevorzugung haben, hätten sie an die Telekom zahlen müssen. Nach viel Kritik zog die Telekom diese Pläne zwar zurück, doch andere Anbieter (O2, Kabel Deutschland) bieten schon lange Flatrates an, die nach genau demselben Schema laufen.

In den USA wurde dem nun ein Riegel vorgeschoben. In Europa und Deutschland geht man lieber den Weg hin zum Zwei-Klassen-Internet. Wie damit der viel beklagte Rückstand Europas zur USA in Sachen Digitalisierung wieder aufgeholt werden soll, ist schleierhaft. Stattdessen nimmt man in Europa lieber das Ende des offenen Internets in Kauf. Ein Armutszeugnis.