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»Drohnenkrieg von Ramstein aus unterbinden«

Im Wortlaut,

        Foto: © Uwe Steinert

 

Wolfgang Kaleck ist Anwalt Edward Snowdens und vertritt jemenitischer Opfer US-amerikanischer Drohnenangriffe, die von der US-Militärbasis im rheinland-pfälzischen Ramstein aus durchgeführt wurden. Niema Movassat hat ihn interviewt und nach den rechtlichen Aspekten des Drohnenkriegs von deutschem Boden aus gefragt.

 

Viele Presseberichte haben auf die zentrale Rolle der US-Air Base in Ramstein im Drohnenkrieg hingewiesen. Demnach ist ohne die Datenübermittlung von Ramstein der US-Drohnenkrieg nicht möglich. Die Bundesregierung dementiert auf parlamentarischen Anfragen diese Rolle von Ramstein. Wie ist Ihre rechtliche Einschätzung, kann sich die Bundesregierung damit rausreden, von nichts zu wissen und einfach den Beteuerungen der USA zu glauben?

Wolfgang Kaleck: Wir haben ja jüngst mit einem Fall, der in Jemen spielt vor dem deutschen Verwaltungsgericht Köln geklagt, weil wir der Meinung sind, dass die Bundesregierung ihre rechtlichen Verpflichtungen verletzt, wenn sie sich auf den Standpunkt zurückzieht: Wir wissen nichts davon. Anders als etwa im Straf- oder im Zivilverfahren mussten wir keine Komplizität deutscher Stellen nachweisen, selbst wenn dafür einiges spricht. Denn der US-Luftwaffenstützpunkt ist Dreh- und Angelpunkt dieser militärischen Attacken, ohne den diese nicht ausgeführt werden könnten, Teil eines modernen hochkomplexen arbeitsteiligen Systems mit vielen Akteuren an unterschiedlichen Standorten. Doch wir wollten die Beweislast umkehren: Nicht wir haben nachzuweisen, dass die Bundesrepublik aktiv beteiligt ist, nein: bundesdeutsche Stellen haben eine Schutzpflicht auch gegenüber in Jemen lebenden Menschen und müssen sicherstellen dass diese jedenfalls nicht unter Beteiligung der Deutschen völkerrechtswidrig geschädigt werden.

Welche völkerrechtliche Dimension hat der US-Drohnenkrieg mit deutscher Unterstützung?

Wolfgang Kaleck: Außerhalb bewaffneter Konflikte sind gezielte Tötungen durch Drohnenangriffe nach dem herkömmlichen Strafrecht als vorsätzliche Tötungen, also als Mord oder Totschlag, einzustufen. Ein großer Teil der Drohnenangriffe der USA, unter anderem die im Jemen, finden in Gebieten statt, in denen die USA im Rahmen von Antiterroroperationen tätig sind und nicht in einem bewaffneten Konflikt.

Menschenrechtlich verstoßen die USA damit gegen das Recht auf Leben. Und selbst innerhalb bewaffneter Konflikte müssen Zivilisten nach dem humanitären Völkerrecht vor Angriffen geschützt werden. Deutschland verstößt gegen seine grundgesetzlichen und menschenrechtlichen Schutzpflichten, indem es bisher keine geeigneten Maßnahmen getroffen hat, um der Nutzung von Ramstein für diese rechtwidrigen Angriffe den Riegel vorzuschieben.

Sie haben die Klage von Drohnen-Opfern aus dem Jemen vor dem Verwaltungsgericht in Köln unterstützt. Könnten Sie zusammenfassen, worum es in diesem Fall geht?

Wolfgang Kaleck: Bei einem Drohnenangriff im Sommer 2002 wurden drei Mitglieder der Familie Bin Ali Jaber getötet, die nicht nur als unschuldig im Rechtssinne zu gelten hatten, sondern darüber hinaus in der Region aktiv gegen Al-Qaida aufgetreten waren.  Die Überlebenden des Drohnenangriffs sind noch heute schwer traumatisiert. Die Familie Bin Ali Jaber fordert Deutschland auf, die Nutzung von Ramstein für den US-Drohnenkrieg im Jemen zu unterbinden. Der Schutz des Grundgesetzes umfasst auch unsere Mandanten im Jemen. Die Bundesregierung ist damit verpflichtet, ihr Recht auf Leben vor illegalen US-amerikanischen Angriffen via Ramstein zu schützen.

Ende Mai dieses Jahres wurde die Klage als unbegründet eingestuft. Was bedeutet das und wie geht es nun weiter?

Wolfgang Kaleck: Wir haben in der ersten Instanz verloren, prüfen aber derzeit, ob wir gegen das Urteil Berufung einlegen. Ansonsten gibt uns das Urteil in einigem Recht:

Einerseits hält das Urteil fest, dass Ramstein in der von uns ausgeführten Weise für den US-Drohnenkrieg genutzt wird. Deswegen kann die Bundesregierung nun nicht mehr behaupten, Deutschland sei nicht in den Drohnenkrieg involviert. Allerdings verpflichtet das Urteil die Bundesregierung nicht, weitere konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um unsere Mandanten zu schützen. Diese Rechtsauffassung halten wir für kritikwürdig, immerhin geht es um das Leben unserer Mandanten.

Sie sind auch als Anwalt Edward Snowdens tätig. In dem Oscar prämierten Film „CitizenFour“ erwähnt der Enthüllungsjournalist Greenwald in der letzten Szene gegenüber Snowden eine kleine Zeichnung mit drei Kreisen, die für die USA, Ramstein und Ziele in Afrika/Asien stehen. Dabei weist er Snowden darauf hin, dass dieses Thema, also Ramstein, künftig von enormer Brisanz sein werde. Welche Verbindungen erkennen Sie zwischen der NSA- Affäre und der Ramstein-Affäre?

Wolfgang Kaleck: Die NSA-Affäre und die Beteiligung des BND haben die Tätigkeiten der beiden Geheimdienste noch einmal in das Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt. Die Fragen, was der BND über die Drohnenangriffe aus Ramstein wusste – und auch an die Bundesregierung übermittelt hat – und welche Rechte die Regierung der NSA wissentlich für Überwachungsoperationen von Ramstein aus eingeräumt hat, werden noch weitergehend untersucht werden müssen.

 

linksfraktion.de, 18. Juni 2015