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»Diese Wirtschaft tötet«

Nachricht von Andrej Hunko,

Fraktion vor Ort: Andrej Hunko in Aachen

 

Unter dem Motto "Diese Wirtschaft tötet" diskutierten am Vorabend der traditionellen Karlspreisverleihung knapp 100 Aachenerinnen und Aachener im Rahmen einer Fraktion vor Ort-Veranstaltung mit dem katholischen Sozialethiker Franz Segbers, mit dem Lateinamerika-Experten Raul Zelik und mit dem Vorstandsmitglied der Europäischen Linken Claudia Haydt über die diesjährige Karlspreisverleihung an Franziskus.

Andrej Hunko ging in seiner Eröffnungsrede auf die lange Protesttradition in Aachen bei den Preisverleihungen ein, die angesichts des rechtskonservativen Europabildes des Karlspreisgremiums wenig verwunderlich sei. So hätten alle Unterzeichner der "Römischen Verträge" diesen Preis erhalten – außer dem französischen Außenminister Christian Pineau, der als Mitglied der Resistance, als KZ-Häftling in Buchenwald und später im Kalten Krieg als Vertreter einer Entspannungspolitik gegenüber dem Osten bis zu seinem Tod 1995 ebenso wie Willy Brandt ein rotes Tuch für das Gremium blieb.

Neoliberaler Kapitalismus als Ersatzreligion

Die Impulse des diesjährigen Karlspreisträgers wurden unter den Aachener Karlspreiskritikern jedoch überwiegend positiv bewertet. Man verstehe die Veranstaltung deshalb als kritische Vertiefung, nicht als Protest gegen Franziskus. Antikapitalistische Aussagen wie "Damit das System fortbestehen kann, müssen Kriege geführt werden, wie es die großen Imperien immer getan haben" würden auf volle Zustimmung der Linken treffen. Franziskus’ Kritik an einem "Europa, das sich nur um die Wirtschaft dreht" können man auch als Kritik an der bisherigen Auszeichnungspraxis des Karlspreises verstehen, die in den letzten Jahren vor allem die neoliberale Austeritätspolitik der EU flankierte.

Professor Franz Segbers machte in seinem Beitrag die Dimension des Paradigmenwechsel deutlich, die mit den antikapitalistischen Impulsen von Franziskus einhergehe. DIE LINKE müsste den Papst als mächtigen Verbündeten sehen, der hunderte Millionen Menschen erreiche. Er erinnerte an die Worte, die auch im rheinland-pfälzischen Wahlkampf plakatiert wurden: "Wenn die Politik wirklich den Menschen dienen soll, darf sie nicht Sklave der Wirtschaft und Finanzwelt sein." Obgleich unsere Gesellschaft sich als religionslos sehe, wäre der neoliberale Kapitalismus zu einer Ersatzreligion geworden.

Würde des Menschen mit Füßen getreten

Raul Zelik behandelte in seinem Beitrag an die großen sozialen Bewegungen in Lateinamerika, die in einige Ländern zu linken Regierungen geführt haben. Er beschrieb seine eigenen Erfahrungen aus Kolumbien, wo er als Professor für Politikwissenschaften lehrte. Er erinnerte an katholische Befreiungstheologen wie Camilo Torres, die sich angesichts der existierenden Gewaltverhältnisse auch bewaffneten Gruppen angeschlossen hatten. Der Zyklus der sozialen Bewegungen in Lateinamerika sei jedoch gegenwärtig im Rückzug und die linken Regierungen in der Krise. Dies hänge auch mit dem nur sehr eingeschränkten Bruch mit den kapitalistischen Wirtschaftsverhältnissen zusammen, etwa der nach wie vor starken Abhängigkeit von den eigenen Rohstoffen.

Claudia Haydt analysierte in ihrem Beitrag die Rede des Papstes vor dem EU-Parlament. Diese sei ein Schlag ins Gesicht der gegenwärtigen EU gewesen. Die Würde des Menschen würde durch die neoliberale Struktur der gegenwärtigen EU tagtäglich mit Füßen getreten, sowohl durch die Abschottungspolitik an den Außengrenzen als auch durch die Austeritätspolitik. Der soziale Aufbruch in Griechenland sei durch die Troika gnadenlos niedergeschlagen worden. Auch Haydt sieht viele Aussagen des Papstes als Ermutigung sich gegen diese Politik zu wehren.


linksfraktion.de, 6. Mai 2016