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Die Zeit ist reif für kostenfreien ÖPNV

Im Wortlaut von Andreas Wagner,

von Andreas Wagner, Sprecher für ÖPNV der Fraktion DIE LINKE:

Mit dem EU-Verfahren gegen Deutschland wegen zu hoher Stickoxidwerte und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zur Möglichkeit von Fahrverboten für Dieselautos ist eine intensive Diskussion um einen besseren Personennahverkehr angestoßen worden. Selbst den meisten Vertretern der autogerechten Stadt ist klar geworden, dass mit mehr Straßen, mehr Parkhäusern und smarter Verkehrsleitung die Verkehrsprobleme der Städte nicht in den Griff zu bekommen sind. Um der EU zu demonstrieren, dass man endlich etwas tun will, hatte die geschäftsführende Bundesregierung Anfang des Jahres Modellprojekte für einen kostenfreien ÖPNV ins Spiel gebracht. Es zeigt, wie weit sich die bisherige Politik in eine Sackgasse manövriert hat, wenn man jetzt ein Hauptanliegen sozial-ökologischer Verkehrspolitik in Erwägung zieht.

Die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag hat daraufhin einen Antrag „Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr schrittweise einführen“ gestellt. In den Haushaltsberatungen vor der Sommerpause wurde der Antrag finanziell unterlegt: Wir fordern einen Milliardenfonds des Bundes, um den ÖPNV auszubauen und 90 Prozent der Ticketpreise zu finanzieren. Dabei will DIE LINKE zuerst in die ÖPNV-Infrastruktur investieren, um diese für einen Aufwuchs an Fahrgästen bereit zu machen. Wer den Berufsverkehr in München oder Berlin anschaut, weiß, dass schon 10-20 Prozent mehr Fahrgäste die Verkehrsbetriebe überfordern würden. Nach unserem Konzept sollen Ticketpreise für Kinder, Azubis und Studenten sofort kostenfrei gestellt und für alle anderen Fahrgäste aber stufenweise eingeführt werden.

Der Fonds kann aus den Einnahmen der von uns geforderten Sanktionszahlungen der Automobilhersteller wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen in Höhe von 12,8 Milliarden Euro angeschoben werden. Auch für eine dauerhafte Finanzierung ist Geld da: Die Subventionierung von Firmenwagen, Dieselkraftstoff und Flugbenzin umfasst Milliardenbeträge und wäre für einen sozialökologischen Umbau von Mobilität und für menschengerechte Städte sinnvoller eingesetzt.

Die Vertreter der Kommunen stehen einem kostenfreien ÖPNV bisher skeptisch gegenüber. Sie sehen zwar die Sinnhaftigkeit für den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV, befürchten aber, dass bei einem kurzfristigen Umstieg vieler Reisender die Kapazitäten von Bussen und Bahnen überschritten werden. Sie zweifeln daran, dass der Bund Ticketpreise und Infrastrukturbeihilfen dauerhaft kofinanziert. Da ist noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten, um den Mut der Kommunen zu stärken.

In der Sommerpause hat der Bund die Zusagen zur Förderung eines Modellprojektes zur Stärkung des ÖPNV an fünf recht willkürlich ausgesuchte Städte gegeben. Dort sollen von Ermäßigungen für Tickets bis zur schnelleren Taktung im ÖPNV verschiedene Maßnahmen getestet werden. Eine Verstetigung oder Ausweitung ist nicht vorgesehen. Die LINKE hatte hingegen für die zwanzig am meisten verkehrsbelasteten Städten Modellprojekte gefordert. Es sollen die Auswirkungen eines Nulltarifes auf die Kapazitätsauslastung und die Luftschadstoffwerte untersucht werden. Das Modell soll dann verstetigt und auf alle Kommunen ausgebaut werden. Flankierend werden Maßnahmen zur Verbesserung des Fußgängerverkehrs und des sozial-ökologischen Stadtumbaus ergriffen. Ziel ist eine menschengerechte Stadt, in der individueller Autoverkehr vielerorts überflüssig wird und die Straßen für Radfahrer, Fußgänger und spielende Kinder wieder Freiräume bietet. Auch die ländlichen Räume profitieren von dem Konzept der LINKEN: Ein bedarfsgerechter, hochqualitativer ÖPNV in ländlichen Räume steigert die Lebensqualität erheblich und verhindert die weitere Abwanderung in Großstädte mit all den Problemen für Land und Stadt, die sich daraus ergeben.