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Die Notizen des Walther Leisler Kiep

Nachricht von Dorothée Menzner,

 

Der großgewachsene Mann mit der Silberlocke ist vielen noch bekannt, weil er in Parteispendenskandalen eine unrühmliche Rolle gespielt hat. Als „Mann mit dem Geldkoffer“ wird der langjährige CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep wohl in die Geschichte eingehen, obwohl er eine Millionenspende einst nach eigenen Angaben in einem „dicken braunen Kuvert“ in Empfang genommen hat. Doch das ist eine andere Geschichte. Nun soll er als Zeuge im Untersuchungsausschuss Gorleben über eine Zeit berichten, die in seinem 85-jährigen Leben nur ein Intermezzo war. Der Zeuge Kiep stellt gleich zu Beginn sehr höflich klar, er habe mit Gorleben eigentlich nie etwas zu tun  gehabt. Doch die Akten und besonders Kieps persönliches Tagebuch, das er schon 2010 vor dem ASSE-Untersuchungsausschuss zitiert hat, erzählen etwas anderes. Im Herbst 1976 war das damals seit etwa zwei Jahren andauernde Suchverfahren zum Stillstand gekommen. In den drei bis dahin ausgewählten niedersächsischen Standorten Wahn, Lichtenhorst und Lutterloh war es zu heftigen Protesten aus den Reihen der CDU gekommen, bis man im August 1976 schließlich die Probebohrungen abbrach. Der Bund und die Atomindustrie machten Druck: ein Standort musste her, weil sonst die Baugenehmigungen für AKW (z.B. Brokdorf) in Frage standen.

Als niedersächsischer Wirtschafts- und Finanzminister hat Kiep dann an einer wichtigen Unterredung zwischen Ministern des Bundes und Niedersachsens und Ministerpräsident Ernst Albrecht teilgenommen. An diesem 11. November 1976 steht in Kieps Tagebuch mit zufriedenem Unterton: „Hier gelingt es mir, Lüchow-Dannenberg als 4. Möglichkeit aufnehmen zu lassen.“ Erinnern kann Kiep sich heute nicht mehr, aber er versichert: „Wenn das hier so steht, dann stimmt das.“ Er sagt aber auch: „Das habe ich mir nicht ausgedacht.“ Das sehen wohl die meisten Ausschuss-Mitglieder auch so, deshalb soll auch eigentlich geklärt werden, wie es dazu kam, dass Kiep „Lüchow-Dannenberg“ ins Spiel brachte. Ob etwa Heinrich Mandel, damals RWE-Vorstandsmitglied und Mitglied im Atomforum, mit dem er sich unmittelbar vor dem Ministergespräch getroffen und ebenfalls über „Lüchow-Dannenberg“ gesprochen hatte, in dieser Hinsicht Einfluss genommen hat. Oder ob der Plan, Lüchow-Dannenberg in seinem Ministerium ausgeheckt wurde, von einem seiner umtriebigen Mitarbeiter wie etwa Klaus Stuhr. Reine Spekulation – eine echte Klärung ist an diesem Tag nicht möglich.

Es ist schon bezeichnend, dass es harmlose private Notizen sind, die Licht in eine Frage bringen sollen, über die es Berge von Akten gibt. Wenn zum Zeitpunkt der Standortbenennung „Lüchow-Dannenbergs“ bzw. Gorlebens alles mit rechten Dingen zugegangen wäre, dann wäre dieses Verfahren klar und deutlich aus den Akten nachzuvollziehen. Doch zu dem Ministergespräch, das vielleicht entscheidend war, wurde kein offizielles Protokoll angefertigt. So muss man eben auch auf private Notizen zurückgreifen.

Der Tagebuch-Auszug, den Kiep schon dem ASSE-Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt hatte, erfreut ihn sichtlich, als er ihm vorgelegt wird. Selbst hat er an diesem Tag seine Memoiren nicht dabei. Er will aber zu Hause „sofort“ nachlesen, ob in den fraglichen Jahren 1976 und 1977 noch weitere Hinweise zu finden sind. Auf Nachfrage von Dorothée Menzner, Obfrau für DIE LINKE, sichert Kiep schließlich sogar freundlich zu, die Tagebücher dem Ausschuss  zur Verfügung zu stellen. Immerhin muss man so diese Spur, mehr Klarheit zu bekommen, noch nicht gänzlich aufgeben.