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DIE LINKE steht für soziale Gerechtigkeit!

Interview der Woche von Matthias W. Birkwald, Sahra Wagenknecht,

Sahra Wagenknecht und Matthias W. Birkwald, beide mit Wahlkreis in Nordrhein-Westfalen, resümmieren im Interview der Woche die Klausur der Fraktion, beschreiben die Auswirkungen neoliberaler Politik vor Ort und was die Fraktion DIE LINKE vorschlägt, um endlich eine soziale gerechte Politik zu erreichen. Dazu gehört ein Zukunftsinvestitionsprogramm, ein gerechtes Steuersystem, der Mindestlohn von 10 Euro und das Ende der Leiharbeit.

Die Fraktion hat sich in der vergangenen Woche in Dortmund zu einer Klausur versammelt: Was gibt es Neues zu berichten?

Sahra Wagenknecht: Die Fraktion hat sich mit dem Wahlkampf in NRW, mit dem Ringen der Opel-Arbeiter und mit dem fatalen Einsatz von Leiharbeitern in Krankenhäusern befasst. Darüber haben wir mit Gästen wie dem Betriebsrat von Opel Bochum diskutiert. Ein Antrag für den Bundestag wurde beschlossen, der darauf abzielt, Lohndumping zu verhindern sowie Billigjobs und Leiharbeit durch ordentlich bezahlte Vollzeitstellen zu ersetzen.

Nachdem sicher niemand glaubt, dass Sie sich rein zufällig in Nordrhein-Westfalen versammelt haben: In welchem Verhältnis stand die inhaltliche Auseinandersetzung der Bundestagsfraktion zur Beschäftigung mit den Landtagswahlen?

Matthias W. Birkwald: In einem vernünftigen. Wir haben uns inhaltlich vor allem den Themen gewidmet, die gerade den Menschen in NRW auf den Nägeln brennen, also zum Beispiel mit einem umfangreichen Antrag „Mit guter Arbeit aus der Krise“ und mit einer parlamentarischen Initiative für gute öffentlich geförderte Beschäftigung als einer Alternative zu Langzeiterwerbslosigkeit und Ein-Euro-Jobs. Und wir haben uns der Rekommunalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge gewidmet. Denn auch die Menschen im Rheinland, im Ruhrgebiet und in Westfalen wollen z.B. bei ihrer Wasserversorgung nicht von Privatunternehmen abhängig sein.

Mindestens in den Medien wird der Eindruck vermittelt, dass Rot-Grün eine echte Alternative zu Schwarz-Gelb sei. Wäre das nicht schon mal besser als nichts?

Sahra Wagenknecht: Wer Rot-Grün für den Garanten einer sozialen Politik hält, hat vergessen, dass die sogenannte Agenda 2010 mit Hartz IV und dem Abbau der Sozialsysteme unter Rot-Grün entstanden ist. Wenn Sozialdemokraten und Grüne derzeit in NRW links blinken, liegt dies nur daran, dass sie hoffen, so an die Macht zu kommen. Im übrigen halten sich beide weiterhin auch die Option offen, mit Rüttgers` CDU zu regieren, falls es rechnerisch nicht für Rot-Grün reicht. Dies ist vor allem eins: Politik, die auf Beliebigkeit setzt!

Im vergangenen Jahr gab es sowohl in Hessen als auch in Thüringen die Option, eine CDU-Regierung zu verhindern, was jeweils an der SPD gescheitert ist. Hat die Sozialdemokratie seitdem dazugelernt?

Matthias W. Birkwald: In NRW leider nicht. Hannelore Kraft hat offenkundig der Mut verlassen und sich freiwillig in die Ypsilantifalle begeben, in dem sie eine Koalition mit der LINKEN derzeit ausschließt. Der Gemischtwarenladen namens SPD ist nach wie vor weit nach rechts offen: Der Vorsitzende Gabriel fordert die Ampel mit den Neoliberalen, während die Spitzenkandidatin Kraft sich offiziell ein „rot-grünes Bündnis“ wünscht. Sie weiß genau: Dafür wird sie keine Mehrheiten haben und bei den Grünen gibt es starke Stimmen für eine Koalition mit der CDU. Dies zeigt: Nur mit einer starken LINKEN wird es in NRW zu einem Politikwechsel hin zu einer sozialen Politik kommen können, denn nur die LINKE wird im Landtag auf gar keinen Fall Herrn Rüttgers zum Ministerpräsidenten wählen. Bei allen anderen ist das nicht ausgeschlossen.

Der SPIEGEL unkte in der vergangenen Woche, dass der Einzug einer LINKEN Fraktion einen rot-grünen Sieg über Schwarz-Gelb verhindern würde. Sie teilen diese Einschätzung vermutlich nicht..?

Sahra Wagenknecht: Weil sie falsch ist. Zurückliegende Wahlen belegen, dass solche Rechenschiebereien fast nie aufgehen. Zum Glück sind Wählerinnen und Wähler nicht ganz so berechenbar, wie es der SPIEGEL vorgibt und die Ergebnisse fallen meist etwas anders aus als prognostiziert. Das Argument hat nur einen Sinn: Es soll die Wähler verunsichern und verhindern, dass sie ihre Stimme der LINKEN und damit der einzigen Partei geben, die für eine konsequent soziale Politik steht! Dabei ist es genau eine starke LINKE, die den nötigen Druck ausübt, dass die Politik in NRW endlich sozialer wird!

Haben sie konkrete Beispiele dafür, dass eine starke LINKE eine Veränderung der Politik bewirkt hat?

Matthias W. Birkwald: Oh ja! Oskar Lafontaine sagte einmal: DIE LINKE regiert aus der Opposition heraus. Damit hat er Recht. Der gesetzliche Mindestlohn ist ein gutes Beispiel: Seit kurzem fordert auch die SPD einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Soweit waren wir LINKEN schon vor zwei Jahren. Wir haben unsere Forderung erhöht, weil nur ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 10 Euro alle Beschäftigten vor Niedriglöhnen schützt und auch nach einem langen Arbeitsleben einen eigenständigen Rentenanspruch oberhalb der Armutsgrenze sichert. Mal sehen, wann die SPD nachzieht.

Und wie sieht es in Regierungsverantwortung aus?

Matthias W. Birkwald: Bei allen Schwierigkeiten haben wir viel Gutes umgesetzt. Ein Blick auf Berlin lohnt sich: Landesunternehmen werden saniert und nicht privatisiert, die Bildungs- und Schulpolitik steuert der sozialen Auslese entgegen, das Mittagessen an Ganztagsgrundschulen für einheitlich nur noch 23 Euro im Monat gibt es bereits, Studiengebühren wird es keine geben, dafür aber ist für alle Kinder im letzten Jahr vor Schulbeginn der Kita-Besuch beitragsfrei. Ganz wichtig: Die Zwangsumzüge von Hartz IV-Betroffenen in der Hauptstadt wurden auf ein absolutes Minimum gedrückt und mit dem Kulturticket für drei Euro können einkommensschwache Menschen an Kultur teilhaben.

Von der FDP ist aus Nordrhein-Westfalen gar nicht viel zu hören. Beschäftigt die sich nur noch mit dem Flurschaden, den Guido Westerwelle anrichtet?

Sahra Wagenknecht: Die FDP hat sehr gute Gründe abzutauchen. Die FDP in NRW unterscheidet sich in nichts von der Bundespartei: Andreas Pinkwart steht für den gleichen unsozialen Kurs wie Guido Westerwelle und Philipp Rösler - nicht gerade populär in einem Land wie NRW, das massiv von der Krise betroffen ist. Kein Wunder, dass die FDP in NRW versucht, sich wegzuducken in der Hoffnung, dass sie gewählt wird, sofern sie im Wahlkampf nicht besonders übel auffällt. Bleibt zu hoffen, dass diese Strategie nicht aufgeht! Wer Hartz-IV-Empfänger beschimpft und gleichzeitig Reiche schamlos fördert wie die FDP, verdient es abgestraft zu werden - auch in NRW!

Warum ist nicht nur für DIE LINKE, sondern vor allem für das Land Nordrhein-Westfalen wichtig, dass DIE LINKE in den Landtag gewählt wird?

Matthias W. Birkwald: Nicht für das Land, aber für die Menschen in NRW. Nehmen wir das Beispiel Bildungspolitik: Wir brauchen endlich „Eine Schule für Alle“, damit alle Kinder ihr Potential bestmöglich entfalten können. Die CDU will an der sozialen Auslese nach der vierten Klasse festhalten. Wir brauchen auch einen stärkeren Ausbau der öffentlichen Förder- und Betreuungsplätze für die unter dreijährigen Kinder. CDU/FDP haben bei diesem Thema durch das Kinderbildungsgesetz (Kibiz) auf dem Rücken der Eltern und der Beschäftigten konsequent gepfuscht. Das muss aufhören.

Wo drückt die Menschen in ihrem Wahlkreis der Schuh am meisten?

Sahra Wagenknecht: Das entscheidende Thema ist die Angst vor weiterem Sozialabbau. Mein Wahlkreis liegt in Düsseldorf - einer Stadt, die oft mit Reichtum verbunden wird. Doch gerade hier sind die sozialen Gegensätze unübersehbar. Der glitzernde Luxus der Düsseldorfer Kö ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht die wachsende Zahl von Menschen, die in Armut leben und immer weniger Hoffnung haben, dass sich daran je etwas ändert. Das wollen wir verändern! Wir wollen, dass alle Menschen, unabhängig davon, ob sie alt, jung, gesund oder krank sind, ein gesichertes Leben in Würde und ohne Angst führen können. Wir wollen kein unwürdiges Hartz IV, sondern sichere Arbeitsplätze mit guten Löhnen - es ist höchste Zeit für einen flächendeckenden Mindestlohn! Wir fordern gebührenfreie Bildung und bezahlbare öffentliche Dienste.

Und bei Ihnen, Herr Birkwald?

Matthias W. Birkwald: In meiner Heimatstadt Köln haben wir derzeit Haushaltsberatungen. Der von SPD und Grünen eingebrachte Haushalt wurde zwar vorerst zurückgezogen, Kürzungen von 220 Millionen stehen dennoch im Raum. Gegen diesen sozialen Kahlschlag laufen die Ver-eine und Wohlfahrtsverbände - selbstverständlich mit tatkräftiger Unterstützung der Kölner LINKEN - Sturm. Einen Erfolg haben die Bürgerinnen und Bürger kürzlich mit 50.000 Unterschriften erreicht: Die Verschwendung von Millionen von Euro für ein neues Schauspielhaus wurde gestoppt. Es wird saniert. Das Bürgerbegehren hat sich damit bereits im Vorfeld erledigt. Dieser Schuh drückt nicht mehr und DIE LINKE hat von Anfang an für die Sanierung gestritten.

Was davon ist Ländersache und was schlägt DIE LINKE hier vor?

Matthias W. Birkwald: DIE LINKE fordert in ihrem Landtagswahlprogramm ein umfassendes Entschuldungsprogramm für die Kommunen und eine Neuaufteilung des Steueraufkommens durch das Land NRW. Wir benötigen dringend eine bessere Finanzverwaltung. Nach Angaben von ver.di sind in NRW 200 Stellen für Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfer unbesetzt. Mit dieser versteckten Subventionierung der CDU/FDP-Klientel muss Schluss gemacht werden! DIE LINKE im Bundestag schlägt übrigens vor, die Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer weiter zu entwickeln. Damit haben wir bereits eine konkrete Initiative für eine deutliche Verbesserung der Kommunalfinanzen ins Parlament eingebracht.

Sahra Wagenknecht: DIE LINKE fordert einen Zukunftsfonds für einen sozial-ökologischen Umbau der Industrie, öffentliche Beschäftigung und Investitionen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Infrastruktur, um so dringend benötigte neue Arbeitsplätze zu schaffen. Öffentliche Aufträge sollen nur noch an Firmen vergeben werden, die Tariflöhne zahlen. Wir wollen die soziale Schieflage überwinden und Armut und Ausgrenzung bekämpfen. Wir wollen eine soziale Wohnungspolitik und die Einführung eines Sozialtickets in NRW, um die Mobilität aller Menschen zu sichern. Und wir fordern ein Ende der Privatisierungspolitik und die Rekommunalisierung im Bereich der Energieversorgung und der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Welche Maßnahmen sind auf der Bundesebene wichtig, um diese Probleme zu lösen?

Sahra Wagenknecht: Wir brauchen endlich eine soziale Politik. Die Umverteilung von unten nach oben muss ein Ende haben. Dringend notwendig ist ein Zukunftsinvestitionsprogramm, um Investitionen zu fördern und Arbeitsplätze zu schaffen. DIE LINKE setzt sich ein für ein gerechtes Steuersystem. Es muss endlich eine Millionärssteuer eingeführt werden, damit nicht wie bisher die Reichen gefördert und die Armen geschröpft werden. Wir fordern einen Mindestlohn in Höhe von 10 Euro und ein Ende der Leiharbeit. Wir wollen Hartz IV abschaffen und fordern, dass als erster Schritt der Regelsatz auf 500 Euro erhöht wird. DIE LINKE steht für soziale Gerechtigkeit!

Matthias W. Birkwald: Das ist für uns das Wichtigste! Soziale Gerechtigkeit und Steuergerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille. Armut bekämpfen, Reichtum begrenzen, das ist der richtige Weg. Kaum ein Land erzielt bei den vermögensbezogenen Steuern so geringe Einnahmen wie Deutschland. Wir liegen hier weit unter dem Durchschnitt! Darum brauchen wir zum Beispiel eine Erbschaftssteuer, die sehr große Erbschaften stärker belastet. Geld, zum Beispiel für die Abschaffung von Kita- und Studiengebühren, für Sozialtickets und für deutlich höhere Hartz IV-Regelsätze.

www.linksfraktion.de, 20. April 2010