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„Die ist für uns da, die weiß von uns“

Periodika,

Nach neun Jahren im Bundestag wurde Diana Golze als Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie in die rot-rote Landesregierung Brandenburg berufen. Mit 39 Jahren ist sie die jüngste Ministerin und führt das größte Ministerium.

 

 

Es sind große Fußstapfen, in die Diana Golze tritt. Das Haus in der Potsdamer Heinrich-Mann-Allee, in dem sich ihr Büro befindet, trägt den Namen Regine Hildebrandt. Sie baute einst das Ministerium auf, wurde bundesweit bekannt durch ihre schnörkellose Sprache und sie wurde geliebt von den Menschen. Am ersten Tag habe sie sich kaum getraut, „ein Blatt Papier abzulegen“, schmunzelt Diana Golze. Die körperlich zarte Frau verschwindet fast hinter dem wuchtigen Schreibtisch und vor dem dunklen Schrank. „Die Möbel, alles noch Originalausstattung Regine Hildebrandt.“ Im Treppenhaus, auf den Fluren, überall hängen Fotos und „man wird verglichen mit ihr“, sagt sie. Nach vier Wochen im Amt nimmt die jüngste Nachfolgerin im Ministersessel das Ganze gelassen.
Diana Golze, zweifache Mutter, feierte erst in diesem Sommer ihren 39. Geburtstag. Ein knappes Jahr zuvor war sie für DIE LINKE erneut in den Bundestag eingezogen. Dort macht sie Politik seit 2005, vor allem als Lobbyistin für Kinder und Jugendliche. Die Jüngsten der Gesellschaft waren schon früh ihr Thema. Sie studierte an der Technischen Universität Berlin Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Sozialpädagogik, abgeschlossen mit dem Diplom für Sozialpädagogik.

Jetzt ist sie Brandenburgs jüngste Ministerin, die Chefin eines Mammutministeriums. Kann ich das, will ich das? Wie lange hat sie überlegen müssen? „Wenn es nur nach mir gegangen wäre, dann hätte ich sofort Ja gesagt“, erzählt sie. Das sei die „Chance, selbst zu gestalten“. Sie weiß, wovon sie redet nach neun Jahren Oppositionsarbeit. Und dann noch bei den Linken, die ja immer noch anders behandelt werden. Wo bereits beim Schreiben von Anträgen klar ist, „dass sie abgelehnt werden“. Reflexartig. Als Ministerin, auch unter den Bedingungen, der kleinere Koalitionspartner zu sein und finanzielle Beschränkungen zu haben, „kann ich sagen, was ich will, worauf ich meinen Schwerpunkt lege, was ich hinten anstelle“. Das sei „großartig“.

 

Diana Golze konnte oder besser wollte nicht allein entscheiden. Da war ja auch die Familie. Der Mann, die beiden schulpflichtigen Kinder, das Zuhause in Rathenow. Eine Ministerin hat keinen Achtstundenjob. Die Familie hat mitgeredet und sich dafür entschieden. Und dann „meine Leute“, wie die Frau mit den roten Haaren sagt. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Berliner Bundestagsbüro, im Wahlkreis vor Ort. „Ich wollte nicht, dass sie aufgrund meiner Entscheidung in die Erwerbslosigkeit gehen.“ Die anderen im Blick haben, auch das ist Diana Golze.

 

Politisch mischt sie sich seit Jahr und Tag ein: kommunal, auf Landesebene, im Bundestag. Jetzt steht sie erstmals in direkter Verantwortung. Kaum eine Brandenburgerin oder ein Brandenburger, die oder der nicht von ihren Entscheidungen betroffen sein wird. Egal, ob sie oder er in Arbeit oder ohne ist, gesund oder krank, Kinder hat oder keine, alleinerziehend oder in tradierter Familie lebt – kein zweites Ministerium hat so viele Alltagsauswirkungen wie das für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie. Das sei ein „krasser Rollenwechsel“ und eine „große Herausforderung“. Nur den Finger in die Wunde legen, reicht nicht.

 

Beispiel Kinderarmut. Das Land Brandenburg liegt weit über dem Bundesdurchschnitt. Fast jedes vierte Kind sei armuts- gefährdet, heißt es in der Studie der Hans-Böckler-Stiftung Anfang 2014. „Kinderarmut ist immer auch die Armut der Eltern“, konstatiert Diana Golze. Für sie wird das Thema darum so eine Art Klammer in den fünf Jahren ihrer Verantwortung sein. „Will ich Kinderarmut bekämpfen, muss ich die Armut der Eltern bekämpfen. Beispielsweise durch gute Arbeit.“ Brandenburg, das nun in der zweiten Legislaturperiode von einer Koalition aus SPD und DIE LINKE regiert wird, hatte noch bevor der Bundestag sich auf einen Mindestlohn verständigte, öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben, die auch Mindestlöhne zahlten. Jetzt soll der ans Bundesniveau angepasst werden.

In die gleiche Richtung läuft das Programm „Jobs für Ältere und Alleinerziehende“. Aufgelegt in diesem Jahr, kamen innerhalb von sechs Monaten schon 490 Menschen wieder in Lohn und Brot, die Hälfte davon Frauen. Das ist gut, reicht aber nicht. Über 10 000 Alleinerziehende sind arbeitslos im Land, fast die Hälfte von ihnen ist im Alter von 25 bis 35 Jahren.

 

Die ersten 30 Tage ihrer Amtszeit sind gerade ins Land gegangen. Fünf Jahre hat sie Zeit, um nach praktikablen Lösungen zu suchen. „Nicht alles hängt am Geld“, sagt die Ministerin. „Viele haben das Gefühl, man redet über sie, aber nicht mit ihnen.“ Das würde sie gern ändern. Sie weiß, sie wird nicht alle Probleme lösen, aber „nach der bestmöglichen Lösung“ suchen. Dabei „die Leute mitnehmen, ein offenes Ohr für sie haben“. Das sei dann vielleicht wieder „ein bisschen Regine Hildebrandt“. Von der stammt der Satz: „Sacht mir nich, dass et nich jeht.“ Daran will Diana Golze anknüpfen, und vielleicht sagen die Leute irgendwann auch über ihre jetzige Ministerin: „Die ist für uns da, die weiß von uns“.