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Die »isländische Lösung«

Im Wortlaut von Andrej Hunko,

Von Andrej Hunko






Mit der Ablehnung der Zwangsabgabe hat das zyprische Parlament am Dienstag ein Stück demokratischer Souveränität verteidigt und einen Angriff auf die Einlagen von Kleinsparern vorerst abgewehrt. Hätten die Abgeordneten das Paket angenommen, wäre der Insel ein drastisches Kürzungs- und Privatisierungsprogramm aufgezwungen worden. In geradezu neokolonialer Manier und unter maßgeblicher Beteiligung der deutschen Bundesregierung sollte Zypern unter das Diktat der Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission gezwungen werden.

Der Abstimmung war eine Erpressung vorausgegangen: Die EZB drohte, den Geldhahn zuzudrehen, indem den Banken die Notfall-Liquidität gestrichen wird. Doch hielt das Parlament bisher dem Druck stand und schützte vorerst die Einlagen bei den zyprischen Banken. Der glücklicherweise gescheiterte Erpressungsversuch ist typisch für die Memorandumspolitik, durch die in Finanznot geratene Länder der EU zu wirtschaftlich völlig kontraproduktiven neoliberalen Maßnahmen gezwungen werden.

Zypern – Testballon für Spanien oder Italien?

Das Kürzungspaket, das die Troika Zypern im Gegenzug für Kredite aufzwingen will, hätte drastische soziale Folgen: Sie will das überdimensionierte Bankensystem auf Kosten der Beschäftigten, Rentnerinnen und Arbeitslosen sanieren. Geht es nach der Troika, werden die profitabel arbeitenden öffentlichen Betriebe privatisiert – darunter auch die Wasserversorgung, die Telekommunikation, die Elektrizität und die Häfen. Gegen diese Privatisierungen hatte sich die Regierung der linken AKEL gewehrt. Wie schon im Falle Griechenlands liegt dieser unsozialen "Rettungspolitik“ eine völlig falsche Analyse der Krise zugrunde. Es wird uns immer suggeriert, es handele sich um eine Staatsschuldenkrise. Tatsächlich sind die Schulden der EU-Länder in vielen Fällen relativ hoch – jedoch erst seitdem diese im Zuge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise seit 2007 Milliarden in marode Banken gepumpt haben, ohne sich das Geld bei den Verantwortlichen zu holen.

Die beim Euro-Gipfel ausgehandelte Beteiligung von Bankeinlagen an der Finanzierung der Bankensanierung hat für Verunsicherung in ganz Europa gesorgt: Bisher war die Teilenteignung von Kleinsparerinnen und Kleinsparern tabu und diese wägten ihre Einlagen – auch auf Grund der europäischen Einlagengarantie – in Sicherheit. Auch viele kleine und mittlere Unternehmen wären von der weitgehend willkürlichen Maßnahme betroffen. Vielleicht war die Entscheidung, für die nun niemand mehr die Verantwortung tragen will, ein Testballon für zukünftige "Rettungspakete".

Sie setzt konsequent die verheerende Krisenpolitik fort, welche die Kosten der Krise nicht den Verursachern, sondern breiten Teilen der Bevölkerung aufbürdet. Nach dem in Griechenland durchgesetzten Kürzungsdiktat bedeutet das Vorgehen in Zypern einen qualitativen Sprung. Nun könnte dieses neue Modell auch den Menschen in Italien und Spanien bevorstehen.

Banken pleite gehen lassen


Die Debatte um mögliche Kredite aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) für Zypern war von Beginn an von einer völlig inakzeptablen anti-zyprischen und anti-russischen Kampagne begleitet.  Angeblich würden vor allem "russische Oligarchen" ihr Geld auf angeblichen Schwarzgeldkonten in Zypern "bunkern“, hieß es sowohl bei den Parteien der Regierungskoalition als auch bei SPD und Grünen. Erst seitdem im Februar der konservative Nikos Anastasiadis zum Präsidenten Zyperns gewählt wurde, werden diese Vorwürfe leiser. Auch die Bundesregierung hat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zugegeben, dass sie keinerlei Informationen über Schwarzgeldkonten in Zypern hat. Und auch die Frage, warum nun reiche Russen als "Oligarchen" bezeichnet werden und europäische Reiche lieber nicht erwähnt werden, beantworten die Kritiker nicht.

Zypern sollte über eine "isländische Lösung" nachdenken: Anstatt die maroden Banken mit Steuergeldern und Neuverschuldung zu retten, entschied sich die Regierung der Insel als Reaktion auf die Bankenkrise 2008, einen Großteil der Banken pleite gehen zu lassen. Diese Entscheidung führte zwar zu einem vorübergehenden Einbruch der Wirtschaftsleistung. Die Regierung gab jedoch dem Schutz von Bürgern und Bürgerinnen mit niedrigen Einkommen Priorität und federte die Krisenfolgen deutlich ab. Innerhalb relativ kurzer Zeit erholte sich die Wirtschaft des Landes wieder und steht heute auf stabilen Beinen. Weil Zypern EU-Mitglied ist und dadurch beispielsweise keine Kapitalverkehrskontrollen einführen oder die Währung zum Schutz der eigenen Wirtschaft abwerten kann, würde sich eine Anwendung des isländischen Wegs dort schwieriger gestalten. Eine konsequente Orientierung auf die Interessen der unteren Einkommensschichten könnte aber auch dort einen erträglichen Weg aus der Krise weisen.

linksfraktion.de, 20. März 2013