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»Die EU darf sich militärisch nicht engagieren«

Im Wortlaut von Monika Knoche,

Parlamentarierinnen der Linkspartei informierten sich in Warschau und Moskau aus erster Hand über die Folgen des Georgien-Konflikts. Gespräch mit Monika Knoche

Sie haben diese Woche im Rahmen einer Frauendelegation Ihrer Fraktion Gespräche in Warschau und zuletzt in Moskau geführt. Wie ist die Stimmung in beiden Hauptstädten, nachdem wegen der Georgien-Krise fast der gesamte Westen Front gegen Rußland macht?

In Warschau gibt es immer noch eine kritische Position - auch bei Politikern - zur Installierung der US-Raketen auf polnischem Territorium. Man sieht das durchaus als Provokation. Aber die Mehrheit der Bevölkerung ist jetzt umgeschwenkt, antirussische Reflexe wurden wiederbelebt. Eine rationale Debatte wird dadurch nicht unbedingt gefördert.

Und in Moskau?

Dort ist die Lage völlig anders. Die große Mehrheit der Russen nimmt zunächst einmal wahr, welch menschliches Leid durch den Angriff Georgiens auf Südossetien entstanden ist. Für diese Provoka tion macht sie letztlich das Expansionsstreben der NATO verantwortlich - eine Position, die auch von meiner Partei geteilt wird. Wir sind darüber hinaus der Meinung, daß die Bundesregierung in Europa ihren Einfluß geltend machen muß, daß zu Rußland weiterhin normale Beziehungen gepflegt werden müssen. Unserer Ansicht nach ist es nicht nur völlig daneben, sondern auch gefährlich, von einer Neuauflage des Kalten Krieges zu sprechen. Das sieht man übrigens auch in Moskau so.

Die Europäische Union (EU) will am Montag über eventuelle Sanktionen gegen Rußland beraten. Haben Sie Hinweise bekommen, wie die russische Staatsführung reagieren könnte?

Unsere Gesprächspartner betonten immer wieder, daß der Westen die strategischen Sicherheitsinteressen Rußlands stärker berücksichtigen sollte. Deshalb hofft man in Moskau, daß der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit seiner relativ moderaten Haltung Einfluß auf die EU-Beratung nehmen kann. Deutschland hat ja auch eine historische Verpflichtung, zu Rußland ein gutes Verhältnis zu bewahren.

Eine britische Zeitung will erfahren haben, daß Moskau plant, die Öllieferungen an den Westen zu drosseln.

Dafür gibt es nicht die geringsten Anzeichen. Verstehen könnte ich allerdings, wenn Rußland nicht mehr bereit wäre, die NATO-Aktionen in Afghanistan zu unterstützen.

Sie haben begrüßt, daß Bundeswehrangehörige an der OSZE-Beobachtergruppe in Georgien beteiligt werden. Hat die OSZE schon mal irgendeinen Konflikt regeln können?

Es geht mir vor allen Dingen darum, daß wir die Position der OSZE aufwerten - sie ist ja ein Instrument, das mit der Helsinki-Konvention auch durch die russische, damals sowjetische, Politik entstanden ist. Wir haben immer gesagt, daß sich auf gar keinen Fall die EU militärisch in Georgien engagieren darf.

Es kommt jetzt darauf an, die Friedenssicherung im Auge zu behalten und vor allem auch die Kriegsursachen aufzuklären. Ich räume ein, daß die OSZE schon lange nicht mehr die ihr ursprünglich zugedachte neutrale Rolle hat, daß vor allem die baltischen Staaten und Polen einen negativen Einfluß auf die OSZE-Parlamentarierversammlung ausüben. Dennoch meine ich, daß die OSZE das beste Instrument ist, das wir zur Zeit haben.

Im Schwarzen Meer operiert zur Zeit die deutsche Fregatte »Lübeck«, wenn auch im Rahmen eines großen NATO-Flottenverbandes. Wird hier nicht leichtfertig mit dem Feuer gespielt?

Wie gefährlich die Situation dort ist, kann ich von Moskau aus nicht so recht beurteilen. Allerdings halte ich es für sehr wichtig, daß gleich nach Ende der parlamentarischen Sommerpause, also noch im September, der Auswärtige und der Verteidigungsausschuß die Lage beraten.

Hat es nicht auch für Sie einen schalen Beigeschmack, wenn deutsches Militär, auch wenn es im Rahmen der OSZE ist, im Vorfeld Rußlands tätig würde?

Ich habe keine Probleme damit, wenn sie sich auf Überwachung und Beobachtung beschränken. Jede Art von militärischer Aktivität muß aber ausgeschlossen sein.

Interview Peter Wolter

junge Welt, 30. August 2008