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Die Dynamik der Einsparpolitik

Im Wortlaut,

ND-Wirtschftskolumne

Von Rudolf Hickel

Das Einsparprogramm der Bundesregierung ist auch im bürgerlichen Lager als der tiefste Einschnitt in das staatliche System der Finanzierung sozialer Ausgaben etikettiert worden. Diese Bewertung übersieht jedoch die darin angelegte Dynamik.

Klar ist schon jetzt: Die Logik dieser Einsparpolitik unter dem Druck der Schuldenbremse wird eine zweite, stärkere Welle der Einsparpolitik auslösen. Dann ist damit zu rechnen, dass die Tabus der ersten Sparrunde gebrochen werden, bei denen die abhängig Beschäftigten und die Rentner wohl auch mit Blick auf die kommenden Wahlen weitgehend verschont bleiben. Am Ende führt dies zu einem sich selbst verstärkenden Kaputtsparen. Bereits diese Runde der schwarz-gelben Bundesdiät wird die labile Konjunkturentwicklung deutlich belasten. Während die Steuereinnahmen geringer steigen, nehmen die Krisenkosten vor allem auch durch die wachsende Zahl nicht existenzsichernder Jobs zu. Am Ende wird die öffentliche Neuverschuldung im Widerspruch zum erklärten Ziel nicht abnehmen, sondern zunehmen. Dies forciert weitere krisenverschärfende Einschnitte nicht mehr nur in das Sozialsystem, sondern auch bei den Arbeitseinkommen der Beschäftigten. Spiegelbildlich dazu werden jedoch den ökonomischen Eliten - Jargon der Bundesregierung - weiterhin »fette Jahre« garantiert.

Die Alternative heißt: radikaler Ausstieg aus dieser Logik hin zu den Zielen Arbeit, soziale Gerechtigkeit und Umwelt. Staatliche Ausgaben müssten nach ihrer Wirkung auf die öffentliche Infrastruktur, die Entwicklung der Beschäftigung, soziale Gerechtigkeit und auf ihre ökologische Nachhaltigkeit hin bewertet werden. Ökonomisch fragwürdige und ökologisch belastende Megaprojekte wie »Stuttgart 21« sollten gestrichen werden.

Einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der Einnahmen würde der Abbau sinnloser Steuersubventionen bringen. Die schwarz-gelbe Koalition ist aber nicht bereit, sich mit den ökonomischen Interessenverbänden und Lobbyisten anzulegen. So bleibt es beim ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen, der die öffentlichen Haushalte mit knapp einer Milliarde jährlich belastet. Auch wird die Steuerbefreiung der Nutzung von Kerosin im inländischen Luftverkehr ebenso nicht aufgehoben wie die Besteuerung von Kapitaleinkünften mit pauschal nur 25 Prozent. Leistungsloses Einkommen wird präferiert und leistungsorientiertes Arbeitseinkommen stärker belastet.

Schließlich verzichtet Schwarz-Gelb auch auf eine stärkere Einbeziehung der Spitzenverdiener und Vermögenden. Der Spitzensatz bei der Einkommensteuer bleibt unverändert. Die Luftverkehrsabgabe, die die EU vorschreibt, wird nur vorgezogen. Den Ausstieg aus dem Atomausstieg durch die Einführung einer Steuer auf Brennelemente anzubieten, ist ökologisch unverantwortlich. Die für den Bund zur Bewältigung der Haushaltskrise vorgesehene hohe Abführung von Bundesbahngewinnen ist mehr als kurzsichtig. Diese Gewinne braucht die Bahn, um sie intern zur Verbesserung des Bahnangebots zu nutzen.

Die Schuldenfalle und damit die Logik eines immer stärker durchgreifenden Sozialabbaus lassen sich hingegen nur mit einer entschiedenen Steuerpolitik durchbrechen, die bei der Lastverteilung an der ökonomischen Leistungsfähigkeit ansetzt. Dazu gehören die Erhöhung des Spitzensteuersatzes, die Wiedereinführung einer verfassungskonformen Vermögensteuer sowie die Nutzung einer fiskalisch sehr ergiebigen Finanztransaktionssteuer.

Neues Deutschland, 18. Juni 2010