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Foto: Rico Prauss

Die CSU: Verlassen von Gott und allem guten Geist

Im Wortlaut von Dietmar Bartsch,

 

 

Von Dietmar Bartsch, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Für Horst Seehofer gab es keinen Zweifel: Die PKW-Maut kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Die EU-Kommission sieht das allerdings anders als der oberbayrische Kirchgänger. In Brüssel gibt es erhebliche juristische Bedenken, das Vorhaben wurde zunächst gestoppt und ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die Juristen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages sind ebenfalls skeptisch. Auch eine zweite Herzensangelegenheit der CSU geht gründlich daneben. Das auf Drängen der Christsozialen per Bundesgesetz beschlossene Betreuungsgeld wurde vom Bundesverfassungsgericht gekippt. 

Das Irrlichtern der Unionspartei kostet eine Menge Geld. Ihr und mein Steuergeld! Wenn der Europäische Gerichtshof die momentan auf Eis liegende „Micky-Maut“ endgültig beerdigen sollte, wofür vieles spricht, werden dafür trotzdem bis Anfang 2017 bereits 450 Millionen Euro ausgegeben sein. So teile es die Bundesregierung auf eine Anfrage unserer Fraktion mit. Die „Herdprämie“ wird zwischen 2013 und 2015 im Bundeshaushalt mit etwa 1,5 Milliarden Euro zu Buche schlagen. 

Schwerer allerdings wiegen der politische Ungeist und das katastrophale Demokratieverständnis der CSU. Folgt das eine unselige Projekt einem antiquierten Familien- und Geschlechterbild, so ist das andere antieuropäisch und ausländerfeindlich. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Maut und Betreuungsgeld mit entsprechenden öffentlichen Warnungen gab es zur Genüge. Doch die selbstherrliche bayrische Staatspartei pfiff auf das Recht und ihre Koalitionspartner im Bund, CDU und SPD, fielen ihr nicht in den Arm. In der Politik der Großen Koalition, angeführt von der zögerlichen Merkel, dem sprunghaften Gabriel und dem selbstgerechten Seehofer, reiht sich Wortbruch an Verfassungsbruch.  

Die CSU zündelt weiter. Die von ihr geführte Staatsregierung plant einen Beschluss, mit dem Bayern für Asylbewerber möglichst unattraktiv werden soll. „Die Ausgestaltung von Unterkünften muss menschenwürdig sein, darf aber keinen zusätzlichen Anreiz schaffen, nach Deutschland zu kommen“, heißt es im Bericht der Staatskanzlei zu dem „Maßnahmenpaket zur Bewältigung und Eindämmung des anhaltenden Asylzustroms“. Es schüttelt mich bei jedem Wort. Dass vier Tage zuvor ein Brandanschlag auf eine künftige Asylunterkunft in bayrischen Reichertshofen-Winden verübt wurde, war den Regierenden in München kein Anlass, von ihrem unrühmlichen Vorhaben abzulassen. 

Der Beifall aus der extrem rechten Ecke lässt nicht auf sich warten. Lutz Bachmann, Chef der fremdenfeindlichen Pegida, begrüßt derlei Vorhaben ausdrücklich. Gewiss, seine Claqueure kann man sich nicht immer aussuchen. Herbeirufen allerdings schon. Erinnert sei an ein CSU-Papier, in dem es hieß: „Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen.“ Dieser Unsinn fuhr selbst der bajuwarischen Vize-Regierungschefin Ilse Aigner so in Mark und Knochen, dass sie entsetzt ausrief: „Bei uns zu Hause wird auch bayrisch gesprochen.“ Dahoam is Dahoam! Erinnert sei daran, dass Horst Seehofer versprach, sich gegen eine Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme „bis zur letzten Patrone“ wehren zu wollen. Erinnert sei nicht zuletzt an die unglaubliche CSU-Parole: „Wer betrügt, der fliegt.“, in die Welt gesetzt zu einer Zeit, da die NPD plakatierte „Guten Heimflug!“.

Schließlich sei die geschichtsvergessene CSU an Zeiten erinnert, in denen Flüchtlinge durchaus willkommen waren. Allerdings – da zeigen sich Parallelen zum Heute – auch damals schon unter Aspekten der „Nützlichkeit“. In einer „Zehn-Punkte-Erklärung“ der CSU vom September 1945 ist zu lesen: „Flüchtlinge und Heimatlose, … die Ihr soviel Schweres tapfer ertragen habt, Ihr alle sollt mithelfen, daß unsere schöne Heimat bald wieder aus dem Schutt und Elend, das Hitler hinterlassen hat, neu entstehen kann.“

In der schönen bayrischen Heimat des 21. Jahrhunderts ist „Abschieben“ eine Lieblingsbeschäftigung der CSU. Flüchtlinge, Sinti und Roma vor allem; Stromtrassen, Windräder und Atommüll; Streikrecht im öffentlichen Dienst und Mindestlohn; der Euro in Griechenland und Proteste gegen den G7-Gipfel – stets gilt das Motto: abschieben! Damit wurde noch jeder Stammtisch erobert. Und in diesem Sinn soll das Betreuungsgeld in Bayern wohl weiter zu- und die Maut halt ein bisschen hinausgeschoben werden.

Im Weltbild der CSU ist die Bierzelt-Tauglichkeit der höchste Prüfstein für Politikerinnen und Politiker, quasi die Maß aller Dinge. Nur reden wir eben über eine Provinzpartei, die zugleich Regierungspartei der Bundesrepublik Deutschland ist. Heribert Prantl nennt sie eine „Gefühlspartei“. Ich habe das Gefühl, die CSU sollte ihren Un-Geist rasch aufgeben.

Ein legendärer Geist mag die Partei tatsächlich alsbald verlassen, der von Kreuth. 2016 könnte die Partei letztmalig im Wildbad tagen. Weil sie die Miete nicht mehr bezahlen kann! Solche Geschichten schreibt nur das Leben…