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»Die Bandbreite der Anliegen ist nahezu unendlich«

Im Wortlaut von Dagmar Enkelmann,

Dagmar Enkelmann liebt das direkte Gespräch. Seit zwölf Jahren hat sie in ihren "Sprechstunden unter freiem Himmel" ein offenes Ohr für die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Wahlkreis.

 

Seit 2001, seit mehr als 10 Jahren also und nicht nur in Wahlkampfzeiten, sind Sie im Sommer mit Ihrer "Sprechstunde unter freiem Himmel" unterwegs - wie kam es dazu?
 
Dagmar Enkelmann: Die Idee entstand zu meiner Zeit als Brandenburger Landtagsabgeordnete. Meine langjährige politische Mitstreiterin Margitta Mächtig und ich  - wir fanden: Wenn die Leute nicht zu uns kommen wollen oder können, fahren wir eben zu ihnen. Da bot sich die sitzungsfreie Zeit des Land- und Kreistages und nun des Bundestages in den Sommermonaten gut an. Daran haben sich Bürgerinnen und Bürger rasch gewöhnt. Hieß es erst immer, wenn sie uns sahen: „Was denn, sind etwa Wahlen?“, hören wir nun regelmäßig die Frage: „Was denn, schon wieder ein Jahr um?“ Was die Bürgerinnen und Bürger bewegt, versuche ich stets aus erster Hand zu erfahren - bei Veranstaltungen, Treffen, beim ungezwungenen Gespräch auf der Straße oder eben bei meinen „Sprechstunden unter freiem Himmel“.

Sind solche Sprechstunden für alle Wahlkreise geeignet?
 
Dagmar Enkelmann: Ja. Nachahmer kenne ich unter den LINKEN einige,  wenn auch weniger in Städten, weil dort möglicherweise die Wege zu den Büros der Politiker und Parteien nicht so weit sind. Die "Sprechstunde" braucht nicht viel Aufwand: einen Gartentisch mit Stühlen, Sonnenschirm oder bei Regen auch einen Pavillon, dazu Kaffee und Getränke, Kekse, Infomaterialien, einen Notizblock und gute Laune. Das ist schon alles.
 
Auch in diesem Sommer haben Sie fast 60 "Sprechstunden", dazu "Rote Frühstücke" in mehreren Orten, Foren der Wahlkandidaten und eine Fülle weiterer Termine - insgesamt mehr als 170 bis zum Wahltag. Was waren bisher die häufigsten Anliegen der Bürgerinnen und Bürger?
 
Dagmar Enkelmann: Hartz-IV-Bescheide - wie noch vor einigen Jahren - bringen die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr vorbei. Aber die Renten kommen stets zur Sprache, auch Mieten, Energiepreise, der Wegfall von Ein-Euro-Jobs oder die Situation von Asylbewerbern. Beschwerden oder Anfragen gibt es zum Zustand der Straßen, zum öffentlichen Nahverkehr, Lärmschutz, Umgang mit Fördermitteln, zur Inklusion behinderter Menschen, zum Steuerkonzept der LINKEN und zu den Altanschließerbeiträgen. Die Bandbreite der Anliegen ist nahezu unendlich.

Worüber ärgerten sich die Bürgerinnen und Bürger früher, worüber heute?
 
Dagmar Enkelmann: Viele Ärgernisse von früher bestehen heute noch. Neue Themen kamen hinzu. Aufreger in diesem Jahr sind besonders die Altanschließerbeiträge. Das ist eine Ungerechtigkeit vor dem Herrn. Die Dienstagsdemos dagegen in Bernau brachten zuletzt mehr Demonstranten auf die Beine und den Marktplatz der Stadt als die einstigen Montagsdemos.

Die Geschichte der Altanschließerbeiträge reicht bis in die Wendezeiten zurück. Damals wurden in vielen Kommunen überdimensionierte Abwasseranlagen gebaut. Noch das letzte Haus schloss man zwangsweise an. Am Bau der Netze verdienten sich viele eine goldene Nase. Die Zweckverbände aber blieben auf einem Schuldenberg sitzen. Die bis 2009 in Brandenburg regierende SPD-CDU-Koalition überlegte dann krampfhaft, wie man dafür Geld auftreiben kann. Sie verfiel auf die eigentlich absurde Idee, von Bürgerinnen und Bürgern, deren Grundstücke vor 1990 ans Netz angeschlossen waren, Altanschließerbeiträge zu verlangen.

Das ist schon ungerecht - es kommt aber noch absurder. So sollen z.B. Bürger, die einen kleinen Bungalow auf ihrem Grundstück haben, Beiträge für eine viergeschossige Bebauung zahlen, weil ihr Grundstück dafür im Prinzip geeignet wäre. Betroffen sind übrigens auch kommunale Wohnungsbaugesellschaften, Wohnungsgenossenschaften, andere städtische Gesellschaften und viele Unternehmen, die Altanschließerbeiträge berappen sollen.

Verfolgen Sie die Anliegen der Bürger weiter oder bleibt es bei "Gut, dass wir mal drüber geredet haben"?

Dagmar Enkelmann: Nach der Sprechstunde geht die Arbeit weiter. Es gilt, Kontakte zu vermitteln oder entsprechende Anfragen an Behörden und Institutionen zu stellen - bis hin zur Bundesregierung. Bei der Dorfkirche Klosterfelde beispielsweise gibt es gravierende Nässeschäden am Mauerwerk. Ich wandte mich an die obere und untere Denkmalschutzbehörde sowie an die zuständige Brandenburger Umweltministerin Anita Tack. Derzeit wird geprüft, was an der Kirche zu tun wäre - ich denke, die Angelegenheit ist auf einem guten Weg.

Tatsache ist: Die Entscheidungsspielräume für die Kommunen sind dramatisch eingeschränkt. Für Schulen, Kitas oder öffentlichen Nahverkehr fehlt Geld, Mittel für Jugendarbeit, Kultur, Theater und Museen werden zusammengestrichen. Für diese Legislatur hatte die Bundesregierung eine Gemeindefinanzreform versprochen - und die Zusage gebrochen. Die von der Regierung eingesetzte Gemeindefinanzkommission war eine reine Alibiveranstaltung.

Wenigstens gelten mittlerweile Mitspracherechte der kommunalen Spitzenverbände bei der Gesetzgebung. Diese kamen allerdings nur dank unserer Initiative zustande. DIE LINKE wird auch in der nächsten Wahlperiode nicht locker lassen, wenn es darum geht, die kommunale Finanzausstattung auf eine verlässliche Basis zu stellen.

 

linksfraktion.de, 11. September 2013

 

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