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Die Aufarbeitung der NS-Geschichte bleibt umkämpft

Periodika,

Für die Geschichte der Bundesrepublik spielt die Frage nach Kontinuitäten und Brüchen zum Nationalsozialismus (NS) eine herausragende Rolle. In den ersten Jahren des westdeutschen Staates wurde über die Vergangenheit beredt geschwiegen. Das hat eine Rückkehr von Teilen der alten Eliten in wichtige Positionen begünstigt und die Fortführung geistiger und personeller Linien aus der NS-Zeit ermöglicht. Erst in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre wuchs das Bedürfnis nach Auseinandersetzung mit den Verbrechen und der Struktur des deutschen Faschismus. Doch während in den 1990er und 2000er Jahren Unternehmen, Wissenschaftsorganisationen, Vereine und Verbände ihre Geschichte untersuchen ließen, blieben Ministerien und Behörden untätig. Nachdem allerdings das Auswärtige Amt im Jahr 2005 eine Historikerkommission berief, die später die Studie »Das Amt« publizierte, änderte sich etwas. In der Folge wurden Studien zu fast allen Ministerien und wichtigen Behörden, etwa dem Verfassungsschutz und dem BND, aufgegriffen. Insgesamt wurden bis heute 17 Forschungsprojekte zu obersten Bundesbehörden sowie ihren Gegenstücken in der DDR auf den Weg gebracht oder bereits abgeschlossen. Doch die Aufarbeitung der NS-Geschichte bleibt ein umkämpftes Feld. Im November 2014 hatte die Fraktion DIE LINKE den Antrag »Unabhängige Historikerkommission zur Geschichte des Bundeskanzleramtes einsetzen« eingebracht. Der anfängliche Widerstand vonseiten der CDU/CSU konnte erst nach der Anhörung des Kulturausschusses am 1. Juni 2016 gebrochen werden: Alle Sachverständigen – egal von welcher Fraktion sie benannt wurden – begrüßten den Antrag. In der Folge kündigte die Bundesregierung an, zumindest ein »ressortübergreifendes Forschungsprojekt« auf den Weg bringen zu wollen, in dem auch das Bundeskanzleramt eine Rolle spielen könnte. Auch der Bundestag hat seine Geschichte noch nicht untersuchen lassen, obwohl spätestens seit der Antwort auf eine Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 14. Dezember 2011 bekannt war, dass 26 Bundesminister und ein Bundeskanzler, die in der Regel auch ein Bundestagsmandat besaßen, Mitglied der NSDAP oder einer NS-Organisation waren. So bleibt die Vermutung, dass die NSDAP in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik regelmäßig eine große Fraktion im Bundestag stellte, was bis heute nicht untersucht ist.