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Diät für kräftiges Zunehmen

Im Wortlaut von Dagmar Enkelmann, Oskar Lafontaine,

Wenig Verständnis für Erhöhung der Abgeordnetenbezüge

Die Bundestagsabgeordneten gehören zu den Auserwählten, die über ihre Bezüge selbst bestimmen. Entsprechend peinlich geraten meist die Begründungen für oder gegen eine Erhöhung. Jetzt ist es wieder mal so weit.

Es hat gedauert, doch nun soll es schnell gehen. Nach mehreren Nullrunden seit 2003 sind die Koalitionsfraktionen einig: Zum nächsten Jahreswechsel steigen die Diäten um ganz und gar nicht schlanke 330 auf 7339 Euro, werden ein Jahr darauf nochmals um 328 Euro auf 7668 Euro angehoben, insgesamt eine Erhöhung von über neun Prozent. Schon am Freitag soll dem Bundestag ein Entwurf zur Erhöhung der eigenen Bezüge vorgelegt werden. Am Wochenende war noch von Spekulation die Rede gewesen.

Es gehe aufwärts mit der Konjunktur, so lautet ein Teil der Rechtfertigung der eigenen Unbescheidenheit. Außerdem werde nun der Vorschlag einer unabhängigen Kommission aus dem Jahr 1993 umgesetzt, wonach die Abgeordnetenbezüge sich an der Bezahlung von Bürgermeistern von Städten mit 50 000 bis 100 000 Einwohnern orientieren sollen. Zudem habe auch das Bundesverfassungsgericht immer wieder vor allem die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Abgeordneten festgestellt.

Diese Unabhängigkeit könnte sich künftig automatisch regulieren, weil die Bezüge an die Einkünfte von Richtern an Bundesgerichten gekoppelt werden sollen, was das Parlament der peinlichen Rechtfertigungspflichten enthebt. Der Anstieg erfolgte mit jedem Gehaltsanstieg der Juristen.
Die Grünen kritisieren ein »unsystematisches Herumdoktern«, die FDP fordert eine unabhängige Kommission. Arbeitnehmer hätten in den letzten zehn Jahren keinen Netto-Zugewinn gehabt, sondern einen Verlust, deshalb sei der Anstieg nicht zu begründen, wendet Linksfraktionschef Oskar Lafontaine ein. Neben der Höhe ist es die Begründung, die den Kritikern der LINKEN-Fraktion aufstößt - auch wenn sie einer Erhöhung nicht prinzipell abgeneigt sind. Die Berufung auf den wirtschaftlichen Aufschwung, so die Parlamentarische Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann, sei eine Unverschämtheit angesichts all der Menschen, die von ihm nichts hätten.

Auch die im Gegenzug verabredete Kürzung der Rentenbezüge der Abgeordneten ist nur eine relative Kürzung. Derzeit bekommt ein Parlamentarier nach zwei Legislaturperioden 24 Prozent der Diäten als Altersversorgung. Künftig sollen es zwar nur 20 Prozent sein. Für jedes weitere Jahr im Bundestag soll die Pension dann nicht mehr um drei Prozent, sondern um 2,5 Prozent wachsen. Dafür soll die Altersvorsorge künftig schon nach einer Legislaturperiode greifen. Und immer noch werden die Zahlungen aus Steuermitteln erbracht, eine von Kritikern geforderte Eigenvorsorge oder der Eintritt in die gesetzliche Rentenversicherung sind nicht angedacht. Abgeordnete erhalten derzeit nach acht Jahren Bundestag eine Rente von 1542 Euro. »Dafür müssen normale Bürger ein Leben lang arbeiten«, macht der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, geltend.

Von Uwe Kalbe

Neues Deutschland, 7. November 2007