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Der Sinn eines Konjunkturprogramms und der Unsinn vom „verbrannten Geld“

Im Wortlaut von Ulla Lötzer,

Die Bundestagsfraktion DIE LINKE fordert ein Konjunkturprogramm mit den Schwerpunkten Ausweitung der öffentlichen Investitionen, Stärkung der Masseneinkommen und Wiedereinführung der degressiven Abschreibung. Die Bundesregierung verweigert sich mit bisher mit ständig wechselnden Argumentationen, eine zentrale Ursache für die exzessive Entwicklung der Finanzmärkte anzugehen.

Die Bundestagsfraktion DIE LINKE hat diese Woche ein Konjunkturprogramm mit drei Schwerpunkten vorgelegt:

  • die Ausweitung der öffentlichen Investitionen des Bundes für Bildung, Infrastruktur, Energiewende und Gesundheit um 30 Mrd. Euro
  • die Stärkung der Masseneinkommen durch die Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf 435 Euro, die Anhebung der Regelsätze für Bezieherinnen und bezieher von Sozialhilfe und für Asylbewerberinnen und -bewerber, die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 8, 71 Euro und die Wiederherstellung der Rentenformel
  • die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung.

Die Verweigerer

Die Bundesregierung verweigert sich bisher, allerdings in einem beachtlichen Stimmen-Wirr-Warr:

  • Die Bundeskanzlerin meint, auf die 25 Mrd. US-Dollar-Kreditgarantien für die Automobilindustrie reagieren zu müssen: Ein Konjunkturprogramm gäbe es nicht, aber über Hilfen für diesen Industriezweig müsse man nachdenken.
  • Am nächsten Tag rückte der Finanzminister alles zurecht: Konjunkturprogramme seien "verbranntes Geld", und den Forderungen der Automobillobby würde nicht nachgegeben.
  • Den Vogel schießt Wirtschaftsminister Glos ab. Er stellt sich schamlos hinter die Forderungen der Industrievertreter und fordert ein "Belastungsmoratorium": Unternehmensteuern runter, Umweltauflagen, Mindestlöhne und Lohnsteigerungen sollen verhindert werden. Damit verfolgt er dieselbe Politik weiter, die zur aktuellen Finanzkrise und zum Abschwung geführt hat, ruft zum offenen Kampf gegen die Gewerkschaften auf und fährt die Wirtschaft an die Wand.

Zusammengefasst: Der Geldmarkt wird bedingungslos mit Liquidität versorgt, die Regulierung des Finanzmarktes wohl auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben und die sozial-ökologische Regulierung der Realwirtschaft weiter verhindert. Steinbrück macht die Brandstifter der Finanzmärkte zur Feuerwehr, die Bürgerinnen und Bürger sollen das Löschwasser zahlen.

Die Mahner

Gustav Horn vom IMK drängt, öffentliche Investitionen jetzt vorzuziehen, der japanische Ökonom Richard Koo empfiehlt, die Maastricht-Kriterien zu lockern, damit Staaten kurzfristig ihre Ausgaben erhöhen können. Der konservative Nobelpreisträger Robert Solow hatte gefordert, der deutsche Staat müsse mehr Geld ausgeben, um die Konjunktur zu stützen.

Sogar der "Sachverstand" reibt sich die Augen und verweist im Herbstgutachten auf "beachtliche diskretionäre expansive Maßnahmen" - zu gut deutsch Konjunkturprogramme - in den USA, in Japan, Spanien und Irland. Und die Bundesrepublik? "In den anderen Ländern des Euroraums ist die Finanzpolitik allenfalls leicht expansiv ausgerichtet. Dies liegt zum einem daran, dass die Konjunkturentwicklung (…) nicht als bedrohlich empfunden wurde." Empfindet die Bundesregierung die Konjunkturentwicklung immer noch nicht als bedrohlich? Oder warum stemmen sich dann alle gegen ein Konjunkturprogramm?

Mit dem Konjunkturprogramm gegen den Finanzmarktkapitalismus?

Die Bundesregierung weigert sich, eine zentrale Ursache für die exzessive Entwicklung der Finanzmärkte anzugehen. Neben der Liberalisierung der Kapitalmärkte hat die Umverteilung der Einkommen und Vermögen von unten nach oben dazu geführt, dass sich riesige Finanzvermögen angehäuft haben. Sie machen mittlerweile das Dreifache der Wertschöpfung aus. Gestiegen sind die Profite, abgesenkt wurden die Investitionen, die Löhne und die Staatsquote. Mit diesem Finanzvermögen haben Banken, Fonds u. a. die spekulativen Geschäftsbereiche ausgebaut, die ihnen jetzt um die Ohren fliegen. Mit diesem Vermögen im Rücken haben sie auch in der Realwirtschaft die Renditeerwartungen von 25 % durchgesetzt.

An dieser Fehlentwicklung des kapitalistischen Systems setzt das Konjunkturprogramm an:

Unsere Maßnahmen zur Anhebung der Sozialleistungen würden die Lebenslage der Betroffenen deutlich verbessern und die Binnennachfrage insgesamt um 7 Milliarden Euro erhöhen. Bei einem Mindestlohn von 8,71 Euro stünden den betroffenen Beschäftigten zusätzliche 13 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Wiederherstellung der alten Rentenformel würde die Binnennachfrage um 7 Milliarden Euro stärken.

Deshalb sollen auch die öffentlichen Investitionen im Umfang von 30 Milliarden für Bildung (15 Mrd.), Infrastruktur (7,5 Mrd.), Energiewende (4 Mrd.) und Gesundheit (3,5 Mrd.)ausgeweitet werden.

Darum sollen aber auch die Abschreibungsmöglichkeiten der Unternehmen verbessert werden. Davon erwarten wir für Unternehmen positive Liquiditätseffekte und Spielräume für eine vorgezogene Anschaffung von Wirtschaftsgütern.

Das Konjunkturprogramm der Bundestagsfraktion ist also weder Strohfeuer noch verbranntes Geld, sondern ein erster Schritt hin zu einer Umverteilung von Reich zu Arm und ein Einstieg in den sozial-ökologischen Umbau unserer Gesellschaft.

Von Ulla Lötzer

linksfraktion.de, 16. Oktober 2008