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Ein ICE-Zug der Deutschen Bahn fährt aus einem Bahnhof an einem Signalmast vorbei. Foto: © istock.com/den-belitskyFoto: istock.com/den-belitsky

Der neue Trans-Europ-Schienenexpress: Links wirkt

Im Wortlaut von Sabine Leidig,

Ein europäisches Eisenbahnnetz soll Flüge ersetzen und die Bahnunternehmen sollen Kooperationspartner statt Konkurrenten sein. Diese Vision hat bisher die Fraktion DIE LINKE im Bundestag stark gemacht. Nun steigt der Verkehrsminister ein.

Andreas Scheuer inszeniert sich als Macher für Flugtaxis, elektrische Autobahnen oder die Ausländermaut – nicht zuletzt, um von seinen Flops und Skandalen abzulenken. Nun präsentiert derselbe Minister, der sich (wie seine Vorgänger Dobrindt und Ramsauer) bisher nicht wirklich für die Bahn interessiert hat,  ein Konzept für den "TEE 2.0" – den neuen Trans-Europ-Express auf Schienen. Dass eine solche Idee inzwischen großen öffentlichen Widerhall findet und vom deutschen Verkehrsminister ins Spiel gebracht wird, ist ein echter Fortschritt. Die beharrlich Aktiven für Nachzüge, die europäische Vernetzung von „back on track“, die Anträge und Anhörungen der Fraktion DIE LINKE, die Klimaschutzbewegung, Grüne und das gewachsene Selbstbewusstsein der Eisenbahngewerkschaft und der sozialdemokratischen  Bahnfreund*innen haben dazu beigetragen.

Das vorgestellte Liniennetz ist noch sehr dünn, und leider ist die Hälfte der angedachten europäischen Linien mit fragwürdigen Großprojekten wie der Fehmarnbeltquerung oder Stuttgart 21 verknüpft. Aber immerhin ist es ein Anfang. Ein solches europäisches Zug-Netz lässt sich weiterdenken und -entwickeln und kann eine wirkliche Alternative zum Flugverkehr werden.

Und noch eine linke Position setzt sich durch: Die Vorlage aus dem BMVI (Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur) geht ganz explizit nicht davon aus, dass sich solch ein Liniennetz mit einem europäischen „freien Eisenbahnmarkt“ umsetzen lässt – wie es die geltende EU-Ideologie ist. Dass es ein solches Netz noch nicht gibt, zeigt ja eben, dass der vielbeschworene Wettbewerb auf der Schiene ein solches nicht zustande bringt. Deshalb wird eine gemeinsame Gesellschaft der europäischen Bahnen zum Betrieb dieser Züge vorgeschlagen: gegründet von dem französisch-deutschen Duo SNCF und Deutsche Bahn, die auch schon die Linien zwischen Frankfurt/Stuttgart und Paris erfolgreich gemeinsam betreiben. Andere europäische Bahnen könnten sich dieser Gesellschaft dann anschließen. Das ist ein Positionswechsel, den wir unter der Losung „Kooperation statt Konkurrenz“ (und „Bürgerbahn statt Börsenbahn“) als Linke immer wieder gefordert und begründet haben. Sinnvolle und erfolgreiche transnationale Verbindungen gibt es nur, wenn die nationalen Bahngesellschaften nicht gegeneinander arbeiten und sich gegenseitig Marktanteile abjagen. Entscheidend ist, dass der Anteil der Schiene im Verhältnis zu Straße und Flugverkehr wächst. Unsere Vision sind die „United Railways of Europe“.

Beachtlich ist auch, dass in dem Konzept die Nachtzüge eine wichtige Rolle spielen. Lange Reisezeiten zwischen europäischen Städten im Schlaf zu überwinde, ist sehr klug. Als es vor vier Jahren darum ging, dass die Deutsche Bahn ihre Nachtzüge einstellt, waren wir als LINKE zusammen mit Betriebsräten und Fahrgastinitiativen sehr engagiert, das zu verhindern – geschafft haben wir es nicht. Wir wurden als „Schlafwagengesellschaft“ (O-Ton MdB Michael Donth, CDU) bezeichnet und als Ewiggestrige dargestellt. Und nun findet man in dem neuen Konzept des BMVI Vorschläge für Nachtzuglinien (allerdings noch ohne Umsetzungskonzept). Darunter sind etliche, die die Deutsche Bahn vor einigen Jahren erst abgeschafft hat, wie Amsterdam–Kopenhagen oder Berlin–Paris. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), die inzwischen der mit Abstand größte Nachtzugbetreiber in Mitteleuropa sind, betonen, wie unverzichtbar auch hier die Kooperation zwischen den Bahnen ist und dass neue Nachtzugverbindungen eben nicht im Wettbewerbsmarkt entstehen. 

Insgesamt also erstaunliche und erfreuliche Kehrtwendungen, die das unionsgeführte Ministerium mitsamt Minister Andreas Scheuer hier vollziehen. Allerdings muss bei diesem Minister leider bezweifelt werden, dass den Ankündigungen auch Taten folgen werden. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft wäre die richtige Gelegenheit, um jetzt Kooperation der Bahnen für einen „TEE 2.0“ und ein europäisches Nachtzugnetz in die Wege zu leiten. Das EU-Dogma des „Wettbewerbs auf der Schiene“ mitsamt dem Privatisierungskurs hat dem Bahnverkehr in den vergangenen 30 Jahren erheblich geschadet. Es muss fallen. 

Mit dem „Lunaliner“ und einer Reihe weiterer guter Konzepte, haben wir in den vergangenen zehn Jahren linke Vorlagen in den Raum gestellt. Jetzt öffnet sich ein Möglichkeitsfenster, einen attraktiven europäischen Bahnverkehr voranzubringen – mit allen, die eine wirkliche Verkehrswende wünschen.