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Eine Arbeiterin mit Abwaschpaletten in einer gewerblichen Großküche © iStock/kali9

Der Mindestlohn muss armutsfest ausgestaltet sein

Im Wortlaut von Susanne Ferschl,

Die Regierung unter Olaf Scholz hat als eine der ersten Initiativen kürzlich den Referentenentwurf für ein Mindestlohnerhöhungsgesetz (MiLoEG) vorgelegt – das wahrscheinlich größte sozialpolitische Projekt des Koalitionsvertrages, von dem mehrere Millionen Beschäftigte direkt profitieren werden. DIE LINKE fordert die Erhöhung auf zwölf Euro bereits seit 2016.

Dennoch, es ist noch kein Gesetz, sondern zunächst ein Referentenentwurf aus dem Arbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD). Was das bedeutet, zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit – in den Wahlkampf-April 2021, als das Arbeitsministerium unter Hubertus Heil einen Referentenentwurf zum Verbot sachgrundloser Befristung vorlegte. Auch das ein zentrales und vertraglich verankertes Koalitionsversprechen der damaligen GroKo, was die Regierung aber nicht daran hinderte, den Entwurf in der Schublade zu versenken.

Unzweifelhaft ist es gut, dass die Regierung trotz anhaltendem Säbelrasseln der Arbeitgeberverbände, die inzwischen mit Verfassungsklage drohen, an der Erhöhung festhält. Damit ist nun aber auch die Arena für die Kämpfe um die konkrete Ausgestaltung der Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro erst so richtig eröffnet. Denn jetzt schlägt die Stunde der Lobbyisten, die darauf setzen werden, den Entwurf im Gesetzgebungsverfahren weiter zu verwässern.

Was den Arbeitgebern viel zu weit geht, ist aus Sicht der LINKEN noch lange nicht genug. Denn die angekündigte Erhöhung auf zwölf Euro kann nur ein erster Schritt sein. DIE LINKE wird das nun beginnende parlamentarische Verfahren dazu nutzen, um auf die Schwächen des Entwurfs hinzuweisen und auf Änderungen zu drängen. Die Mindestlohnerhöhung ist unzweifelhaft eine Chance – und sie muss genutzt werden, um Beschäftigtenrechte wirksam zu stärken und die Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt infolge der Agenda 2010 zu korrigieren.

Minijobs begrenzen, nicht ausweiten

Diesem Ziel läuft die geplante Ausweitung und zukünftige Flexibilisierung der Mini- und Midijobs entgegen. Denn falls diese Änderung nicht gestoppt wird, läuft die Ausweitung prekärer, nicht existenzsichernder Arbeit mit jeder weiteren Mindestlohnanhebung künftig im Gleichschritt. Das schafft mehr Probleme als es löst. Denn es ist bekannt, dass gerade die „kleinen Jobs“ genutzt werden, um Schwarzarbeit zu tarnen. Wer Schwarzarbeit also bekämpfen will, darf Minijobs nicht ausweiten, sondern muss sie begrenzen.

Weiterhin muss durch deutlich mehr flankierende sowie flächendeckende Kontrollen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) sichergestellt werden, dass der Mindestlohn auch bei den Beschäftigten ankommt. Das tut Not, denn wer jetzt schon seine Angestellten bei 9,82 Euro pro Stunde betrügt, wird das bei bald zwölf Euro erst recht tun. Der Staat ist also in der Pflicht, die Kontrollen deutlich auszuweiten, um für abschreckende Wirkung zu sorgen. Der Prüfauftrag der FKS beschränkt sich jedoch nur auf Steuern und Sozialversicherungsbeiträge – ihren Lohn müssen die Beschäftigten bislang selbst einklagen. Sinnvoll wäre hier etwa ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften.

Mindestlohn muss armutsfest ausgestaltet sein

Überdies braucht es einen Mechanismus, mit dem auch für die Zukunft sichergestellt ist, dass der Mindestlohn nicht erneut in der allgemeinen Lohnentwicklung zurückfällt. Dazu wäre es notwendig, die Anpassungskriterien für Erhöhung um das Kriterium zu erweitern, dass der Mindestlohn armutsfest ausgestaltet sein muss und der Anpassungsrhythmus statt bisher alle zwei Jahre auf jährlich verkürzt wird. Im Hinblick auf die europäische Mindestlohnrichtlinie wäre es außerdem wünschenswert, dass das Kriterium der Orientierung am Schwellenwert von 60 Prozent des mittleren Lohn in den Gesetzestext aufgenommen wird und somit deutlich mehr Verbindlichkeit erhält. Unsere Forderungen lassen sich im Detail in unserem Antrag „Evaluierung des Mindestlohngesetzes zur Stärkung der Beschäftigtenrechte nutzen“ aus der vergangenen Legislaturperiode nachlesen.

Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen erleichtern

Der Mindestlohn – auch in Höhe von zwölf Euro – kann auch zukünftig nur eine untere Haltelinie auf dem Arbeitsmarkt bilden. Begleitend müssen zwingend Maßnahmen ergriffen werden, um die Tarifbindung flächendeckend zu stärken. DIE LINKE fordert seit Langem die Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen.

Die vorgesehene Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro zum 1. Oktober 2022 ist, wie schon bei seiner Einführung 2015, erneut zu niedrig angesetzt, um wirksam vor Armut im Alter zu schützen. Auch deshalb ist zwingend eine schnellere Erhöhung notwendig als der im Gesetz vorgesehene Erhöhungsschritt zum 1. Januar 2024. Mit einer Laufzeit von langen 15 Monaten droht der Mindestlohn erneut zurückzufallen. Zumal in der Mindestlohnkommission Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter paritätisch besetzt sind.

Ein Mindestlohn von zwölf Euro wird dazu beitragen, das Tarifvertragssystem zu stabilisieren und das Lohnniveau insgesamt anzuheben. Das ist weder ein unzulässiger „Staatslohn“, noch ein Angriff auf die Tarifautonomie, sondern ein notwendiges Programm, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, die Sozialversicherungskassen zu füllen und letztendlich die Wirtschaft hierzulande wieder in Schwung zu bringen.

DIE LINKE wird den parlamentarischen Verlauf kritisch begleiten und ein Auge darauf haben, dass die Unternehmensverbände nicht ihren Lobbyeinfluss geltend machen, um den Entwurf zu verwässern.  Vielmehr werden wir uns mit eigenen Vorschlägen dafür starkmachen, dass die notwendige Erhöhung des Mindestlohns mit einer echten Stärkung von Beschäftigtenrechten verbunden wird.