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Der Kohle-Dividendenzug ist abgefahren

Im Wortlaut von Eva Bulling-Schröter,

        Foto: Flickr / glasseyes view

 

Von Eva Bulling-Schröter, energie- und klimapolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE

 

Jahrzehntelang haben Kommunen am schmutzigen Kohlegeschäft von RWE sauber mitverdient. Heute bereiten die Umbrüche der Energiewende dem schwerfälligen Großkonzern heftige Kopfschmerzen – und die Aktieneinnahmen der Stadtväter sind dahin.

Es hatte sich seit Monaten angekündigt. Auf der Aktionärsversammlung des größten deutschen Energiekonzerns RWE am gestrigen Mittwoch mussten nun alle die Hosen runterlassen: Kein ach so dringend benötigter Dividenden-Regen für die Beteiligten in den Rathäusern von Rhein und Ruhr. Ein sattes Viertel aller Anteile halten die Stadtkämmerer in Essen, Dortmund und Co. Im riesig-runden RWE-Turm, der unübersehbar überm Hauptbahnhof der einstigen Stahl- und Kohlestadt Essen thront, hatte Firmenlenker Peter Terium das "Zurückbleiben!"-Signal ausgegeben. Dem Antrag von Vorstand und Aufsichtsrat stimmten die Aktionäre zu, fast 98 Prozent der Anteilseigner in der Gruga-Messehalle einigten sich auf die erste Nullrunde in der jüngeren Geschichte des wankenden Energieriesens. Bei einem Verlust von 170 Millionen Euro in 2015 wurde allein den Vorzugsaktionären, RWE-Anleihern ohne Stimmrecht, eine Ausschüttung von 13 Cent je Aktie gewährt. Die stimmberechtigen Stammaktionäre: Gar nichts.

Für die von Schuldenbremse und Kaputtspar-Politik gebeutelten Stadtoberen der "schlimmste Alptraum", nennt Essens Kämmerer Lars Martin Kleve den Totalausfall. Gab es 2014 noch 18,3 Millionen für den größten kommunalen RWE-Aktieninhaber, so fehle dieses Geld im neuen Haushaltsjahr. Nullrunde also auch für Schulen, Sozialarbeiterinnen, Bibliothekare und Flüchtlingshelfer? Zu spät haben Kommunen und Konzernleitung den Piff der Politik gehört, bzw sind dem Großkonzern auf Gnade und Gedeih ausgeliefert. Zu billiger Börsenstrom wegen immer mehr Ökostrom, zu teure Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke (trotz jahrzehntelanger Milliarden-Subventionen) samt ihrer Rückbaukosten. Wegen der schlechten Aussichten in der "konventionellen Stromerzeugung" musste RWE auf Kohlekraftwerke in Großbritannien und hierzulande  "Wertberichtigungen" in Höhe von 2,1 Milliarden Euro in die Bücher schreiben. Dazu seien "latente Steuern" von fast einer Milliarde Euro gekommen, hieß es.

Dabei ist der Fahrplan der Energiewende seit Jahren in Stein gemeißelt. Auch der Atomausstieg ist schon lange in Sack und Tüten. Ob Stromkunde oder Börsenspekulant, jeder kann sich die vorgegebene Ausbaustrecke der Erneuerbaren Energien auf der Webseite des Wirtschafts- und Umweltministeriums im fernen Berlin zu Gemüte führen. Das 2010 verabschiedete Energiekonzept der Bundesregierung legt als Zwischenhalte für die Jahre nach 2020 ganz konkret die Anteile erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch fest: 30 Prozent bis 2030, 45 Prozent bis 2040, 60 Prozent bis 2050. Laut der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) von vor zwei Jahren sollen Wind, Solar und Bioenergien am Bruttostromverbrauch bis 2025 sogar 40 bis 45 Prozent, bis Jahr 2035 dann 55 bis 60 Prozent und bis 2050 mindestens 80 Prozent ausmachen.

Auch am anderen Ende der Republik ist Kohledämmerung. Mit dem Verkauf seiner Braunkohletagebaue und Kohlekraftwerke in der Lausitz von Brandenburg und Sachsen hat Vattenfall die Notbremse gezogen. Dass der schwedische Staatsbetrieb das Kohlebusiness an einen windigen tschechischen Investor und reichsten Mann im Nachbarland verschleudert hat, und wahrscheinlich sogar noch für Renaturierung und Strukturwandel draufzahlt, zeigt, wie die Dampfwalze der Energiewende die alten Strukturen plattmacht. Natürlich darf die Energiewende nicht den alten Konzernen in die Hände fallen, das neue EEG setzt genau das aufs Gleis. Schon jetzt gibt es Beispiele, die aus linker Sicht Mut machen: Kleine Bürgerenergiegenossenschaften und rekommunalisierte Stadtwerke machen Ökostrom. Die Profite kommen der Allgemeinheit zu Gute. Die Durchsage des Tages aber sollte von niemandem überhört werden: Der kohlebefeuerte Dividenden-Zug ist endgültig abgefahren.

 

linksfraktion.de, 21. April 2016