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Der Königinnen-Macher

Im Wortlaut,

Seit 40 Jahren trainiert Bernd Schröder die Spielerinnen vom 1. FFC Turbine Potsdam. Seine  „Turbinen“ wurden Meisterinnen aller Klassen. Eine Begegnung mit dem dienstältesten Bundesligatrainer vor  der Fußballweltmeisterschaft.

 

Fußballpause für "Meister-Trainer" Bernd Schröder. Die Saison der Turbine-Spielerinnen beginnt erst wieder nach der WM.

Bernd Schröder ist ein baumlanger Kerl. Fast ein Zwei-Meter-Mann. Immer noch sportlich-schlank mit seinen 68 Jahren. Das Stadion am Luftschiffhafen in Potsdam ist so etwas wie sein zweites Zuhause. Schon seit vier Jahrzehnten. Dabei war es ein Zufall, der Bernd Schröder mit den Frauen und dem Fußball zusammenbrachte. Das war 1968.  Schröder kam damals frisch diplomiert aus Freiberg in Sachsen nach Potsdam. Nicht etwa um Fußball zu spielen – was er gut konnte und zuletzt als Torwart in der DDR-Oberliga beim 1. FC Lok Leipzig unter Beweis gestellt hatte – sondern um für die Energieversorgung als Ingenieur zu arbeiten. Er war kaum in der Stadt, ging als sogenannter Strohwitwer am Abend in die Klubgaststätte der Turbine-Betriebssportgemeinschaft etwas essen und fand einen Zettel, auf dem mit steiler, leicht nach links gerichteter Handschrift stand: „Gründen Frauen Fußball Mannschaft. Bitte melden. 3. März 1971, 18.00 Uhr.“

Eine kleine Anzeige mit großer Wirkung. 40 Frauen standen in der Tür und wollten auf den grünen Rasen. Was fehlte, war der Trainer. Über Schröders Gesicht huscht ein Lächeln als er von dieser Begegnung erzählt. „Es war Liebe auf den ersten Blick. Es war eine spontane Entscheidung, und die sind ja meistens die besten im Leben.“ Aus dem Technischen Ingenieur wurde zusätzlich ein ehrenamtlicher Fußballtrainer. Und der machte, als die 40 Paar Frauenaugen ihn anschauten, ein klare Ansage: „Wenn wir es machen,  dann machen wir es richtig.“ Richtig hieß: „leistungsorientiert.“ Fünf Mal die Woche Training. Vor und nach der Schule, dem Studium oder der Arbeit, je nachdem wo die Amateurfußballfrauen damals beschäftigt waren. Ihre Sportart war neu, hieß auch noch Damenfußball und wurde damals auch noch in die Schublade Freizeit- und Hobbysport gesteckt. 

Der kleine Unterschied

„Ernst genommen wurden wir anfänglich nicht“, erinnert sich der Coach. „Eher  belächelt.“ Bis zum ersten Erfolg sollten dann auch gut zehn Jahre vergehen. Turbine wurde DDR-Meister. Jede Spielerin bekam 50 Ost-Mark Siegprämie. Das war 1981. Im gleichen Jahr kürte der damalige Bezirk Potsdam die Turbine-Frauen auch erstmals als „Mannschaft des Jahres“. Das war eine kleine Sensation. Ein Fußballfrauenteam, das organisatorisch nicht beim Hochleistungssport verankert war, ließ Profi-Mannschaften weit hinter sich. „Aber so richtig angekommen ist der Frauenfußball erst mit Atlanta, Athen. Los Angeles, mit den Olympischen Spielen“, sagt Schröder.  

Die persönliche Bilanz von Turbine und ihrem Trainer bis heute: 6 x DDR-Meister, 5 x Deutscher Meister,  3 x Vizemeister,  3 x DFB-Pokal, 5 x DFB-Hallenpokal, 1 x Champions-League-Gewinner und etliche Spielerinnen, die in der Nationalmannschaft glänzen. Keine zweite Frauenmannschaft in Deutschland hat so viel Fußballgeschichte geschrieben. Auch keine Männerelf.

Der Schlüssel zum Erfolg? Vielleicht die Vereinsphilosophie. Der Fußballerinnennachwuchs ist „hausgemacht“.  Potsdam betreibt eine Sporteliteschule, in der Mädchenfußball die erste Geige spielt.  Mit Beginn der 7. Klasse können die Nachwuchssportlerinnen dort lernen und trainieren. Schule, Sporthallen, Fußballplatz, das Internat – alles auf einem Gelände, alles nahe beieinander. Jedes Jahr sind es etwa zehn junge Fußballerinnen, die aus den unterschiedlichsten Vereinen und Bundesländern kommen. Mitbringen müssen sie zwei Dinge: gute schulische und sportliche Leistungen. Am Ende steht dann möglicherweise eine Fußballkarriere, auf jeden Fall aber das Abitur oder der Abschluss der 10. Klasse mit anschließender Berufsausbildung.

Dieses „duale System“ findet Bernd Schröder für Fußballerinnen vernünftig.  „Für mich ist wichtig, dass die Mädchen und Frauen auch fürs Leben vorbereitet sind.“ Mit spätestens Anfang 30 hört für sie der Sport auf. „Wenn sie nur Fußball gespielt haben, wenn sie kein Abitur oder sich weitergebildet haben, dann hängen sie in der Luft. Haben gar nichts mehr.“ Und so trainiert Bernd Schröder die  Turbine-Spielerinnen nach seinem uralten Prinzip: 5 x die Woche Training, vor und nach der Schule, der Universität oder dem Job.  „Ich kann doch professionell spielen ohne Profi zu sein“, sagt der lebenskluge Trainer.

Die Weltmeisterschaft vor der Haustür

Schröder ist ein vielgeehrter Mann. Im Mai bekam er die „Europaurkunde“ des Landes Brandenburg, zur Fußballweltmeisterschaft der Frauen erhält er das Bundesverdienstkreuz. Dazu muss man wissen, dass Bernd Schröder seit dem Gründungstag der Turbine-Fußballmannschaft ehrenamtlich als Trainer arbeitet. Das ist bundesweit einmalig. 40 Jahre in einem Verein, fast immer als Coach, zwischendurch für eine kurze Zeit als Manager. Er ist ein Mann der klaren Worte, kein Duz-Kumpel für seine Spielerinnen, er spricht von der Jüngsten bis zur Ältesten alle mit „Sie“ an. Das hat mit gegenseitigem Respekt zu tun, sagt er.

Jetzt beginnt die Weltmeisterschaft der Fußballerinnen. Die Erwartungen sind riesig. Ein Fußballfest soll es werden, vielleicht sogar ein Sommermärchen! Von Turbine Potsdam sind drei Spielerinnen mit von der Partie: Babett Peter, Bianca Schmitt und Fatmire Bajramaj.  Bernd Schröder sagt, er selbst will sich „rar“ machen in der Zeit. Am liebsten analysiert er ganz allein zuhause die Spiele. Aber keine Frage, bei der Eröffnung in Berlin im Olympiastadion ist er dabei. Vielleicht auch beim Finale. Wenn es denn vielleicht heißt: Deutschland gegen … ! Ansonsten aber sagt der für seine Sachlichkeit bekannte Trainer : „Der Alltag beginnt nach der WM, in den Klubs und das wird schwer genug.“

 

Von Gisela Zimmer

 

Dieser Text erscheint gedruckt am 30. Juni in der 20. Ausgabe des Fraktionsmagazins clara, das kostenfrei über das BESTELLFORMULAR abonniert werden kann.