Zum Hauptinhalt springen

Der Fall SCHLECKER

Nachricht von Sabine Zimmermann,

Erste Erfolge beim Kampf gegen Lohndumping durch Leiharbeit, aber einige Fragen bleiben offen

Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, lokalen Initiativen und anderen hat es geschafft, dass der Drogerieanbieter SCHLECKER seine agressive Lohndrückerpolitik mittels Leiharbeit vorerst einstellen musste. Auch DIE LINKE hat an diesem Erfolg ihren Anteil. Allerdings handelt es sich nur um einen Etappensieg. Bei SCHLECKER ist noch einiges ungeklärt. Und dem Lohndumping durch Leiharbeit muss grundsätzlich ein Riegel vorgeschoben werden.

Der Fall SCHLECKER

Anton Schlecker ist Besitzer der gleichnamigen Drogeriekette. Mit einem Vermögen von über 2,4 Milliarden Euro gehört er zu den reichsten Deutschen.
Anton Schlecker ist dabei, sein Unternehmen neu zu strukturieren. Statt vieler kleiner SCHLECKER-Märkte werden größere sogenannte XL-Märkte eröffnet. Im letzten Jahr sind ca. 1.000 der kleineren sogenannten AS-Märkte geschlossen worden, etwa 4.000 sollen es insgesamt werden.

Das bisherige Prinzip: Den Verkäuferinnen wird gekündigt. Dann wird ihnen angeboten, in einem der neuen XL-Märkte als Leiharbeiterinnen bei der Leiharbeitsfirma Meniar zu arbeiten (Ende 2009 etwa 4.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter). Zur Hälfte des bisherigen Lohns, ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie mit weniger Urlaubstagen.

Dieses Lohndumping nach SCHLECKER-Art ist in Deutschland völlig legal! Denn Leiharbeiter dürfen bei uns nach viel schlechteren Tarifverträgen bezahlt werden als in der Branche üblich. Für SCHLECKER heißt das: ein Stundenlohn von ca. 6,50 €. Laut Tarifvertrag für den Einzelhandel liegt der Stundenlohn bei 12,70 €.
[Die SCHLECKER-Leiharbeitsfirma MENIAR beruft sich dabei auf einen „Tarifvertrag“ mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit (CGZP). Nach einem Urteil des LAG Berlin vom Dezember 2009 ist diese aber nicht tariffähig. Das BAG-Urteil steht aus.]

Leidtragende dieser Entwicklung sind in erster Linie natürlich die Verkäuferinnen. Sie können mit den Armutslöhnen nicht mehr ihre Familien ernähren. Aber es geht auch auf Kosten der Gesellschaft. Denn nicht wenige Verkäuferinnen fallen wegen des niedrigen Lohns zusätzlich in Hartz IV. So subventioniert der Steuerzahler die Armutslöhne des Anton Schlecker.

Ein Erfolg, der uns bestärken muss, weiterzumachen
Gegen dieses Lohndumping haben sich die SCHLECKER-Beschäftigten und ihre Gewerkschaft ver.di zur Wehr gesetzt. Sie haben bei der Neueröffnung der XL-Märkte Proteste organisiert und dazu aufgerufen, diese zu boykottieren. DIE LINKE hat den Skandal SCHLECKER in den Bundestag gebracht, Öffentlichkeit organisiert und sich vor Ort mit vielen anderen Initiativen an einzelnen Protesten beteiligt. Dieser Druck von unten hat etwas bewirkt.

Noch im November erklärte die Bundesregierung auf die Anfrage von Sabine Zimmermann zum Fall SCHLECKER, die „ Bundesregierung (sei) kein Forschungsinstitut, dessen Aufgabe es wäre, solchen Einzelfällen nachzugehen“. Keine zwei Monate später sah sich jedoch Arbeitsministerin von der Leyen gezwungen, den Fall aufzugreifen. In den Medien wurde das Vorgehen von SCHLECKER breit diskutiert. Von der Leyen will verhindern, dass die gesamte Branche in Verruf kommt. Auch der Bundesverband Zeitarbeit und Einzelhandelsverbände sprechen vom schwarzen Schaf Meniar/SCHLECKER. Anfang Januar kündigt von der Leyen an, die Machenschaften von SCHLECKER zu prüfen. Daraufhin erklärt SCHLECKER, keine Verträge mehr mit der Leiharbeitsfirma Meniar abzuschließen.

Offene Fragen

Das ist ein Etappensieg. Ungeklärt ist jedoch:
  • Was passiert mit den Meniar-Leiharbeiterinnen, die bereits bei SCHLECKER beschäftigt sind?
  • Will SCHLECKER weiter Lohndumping betreiben: etwa über andere Leiharbeitsfirmen? Oder gelten zukünftig für alle Beschäftigten die bestehenden Einzelhandels-Tarifverträge?
  • Und überhaupt bleibt das Problem: jedes x-beliebige Unternehmen kann Lohndumping nach SCHLECKER-Art betreiben. Etliche tun das auch. Die Politik muss dem Lohndumping durch Leiharbeit einen Riegel vorschieben.

DIE LINKE sagt klar; Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit. Schluss mit Lohndumping, ob bei SCHLECKER oder anderswo. Dafür müssen wir in und außerhalb der Parlamente Druck machen.

Kleine Chronologie der Ereignisse

  • 2009 SCHLECKER beginnt mit Umstellung auf XL-Filialen mit Leiharbeitern und schließt alte „AS-Märkte“.
  • Seit Frühjahr 2009 ver.di organisiert vor Ort Protest gegen die Filialschließungen und wendet sich an die Politik und Verbände/Institutionen.
  • Herbst 2009 nach ersten Berichten in Lokalmedien nehmen das Thema auch Medien bundesweit auf
    November 2009 DIE LINKE bringt den Fall in die Fragestunde des Bundestages. Das Ergebnis: Die Regierung sieht sich nicht in der Pflicht, „solchen Einzelfällen nachzugehen“.
  • Dezember 2009
    • „Frontal“ (ZDF) und „Süddeutsche Zeitung“ thematisieren die Haltung der Bundesregierung.
    • Offener Brief von Gabriel/Nahles (SPD) an Anton Schlecker: „Unser Ziel war nicht die missbräuchliche Nutzung“ der Leiharbeit.
    • ver.di verteilt bundesweit ein zentrales Infoblatt „XLPLOSIV“ an alle SCHLECKER-Beschäftigten und bereitet größere Protestaktionen für das neue Jahr vor.
    • Die Zeitarbeitsbranche kommt insgesamt in Bedrängnis.
  • 8. Januar Der Bundesverband Zeitarbeit kritisiert: SCHLECKER schadet dem Image der Branche.
  • 10. Januar 2010 Bundesarbeitsministerin von der Leyen (CDU) spricht sich dafür aus, zu prüfen, ob bei SCHLECKER Missbrauch betrieben oder Gesetze umgangen würden.
  • 11. Januar 2010 Die für die Zulassung von Zeitarbeitsfirmen zuständige Bundesagentur für Arbeit äußert sich zum Fall SCHLECKER: „Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verbietet so etwas nicht. Hier sind politische Entscheidungen nötig.“
  • 11. Januar 2010 SCHLECKER erklärt mit sofortiger Wirkung keine neuen Arbeitnehmerüberlassungsverträge mit Meniar mehr abzuschließen, offen bleibt jedoch das Problem der Leiharbeit bei SCHLECKER und anderswo.