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Denn sie wissen nicht, was sie tun

Im Wortlaut von Alexander Ulrich,

Von Alexander Ulrich, für DIE LINKE Obmann im Europaausschuss des Bundestages
 

 

 

Am vergangenen Sonntag hat die Bundesregierung dem Bundestag ihren Antrag für ein ESM-Kreditprogramm für Zypern zugeleitet. Der Antrag umfasst 109 Seiten und enthält unter anderem eine Einschätzung der EZB zu den Gefahren für den Euro, die von Zypern ausgehen, eine Bewertung der Europäischen Kommission zum Finanzbedarf Zyperns und der Schuldentragfähigkeit, eine Auflistung sämtlicher Kürzungsmaßnahmen, zu denen sich Zypern im Gegenzug für den Kredit verpflichten soll sowie eine detaillierte Ausführung des ESM zur geplanten Finanzhilfefazilität. Ganz nebenbei beantragt die Bundesregierung eine Verlängerung der Kreditlaufzeiten für Portugal und Irland um sieben Jahre.

All das soll heute vom Bundestag beschlossen werden. Es ist kaum anzunehmen, dass das Gros der Parlamentarier dann wirklich durchschaut hat, was da beschlossen wird. Das bisher übliche, zweistufige Verfahren, durch das eine angemessene parlamentarische Befassung ermöglicht wird, wird von der Bundesregierung durch die Zusammenlegung der ersten und zweiten Lesung zum Zypern-Programm und die Einbindung der Veränderungen der Programme für Irland und Portugal, ausgehebelt. Die parlamentarische Mitsprache verkommt zur Farce. Ungeachtet alledem wird der Bundestag wohl mit den Stimmen der ganz großen Koalition aus CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen zustimmen.

Damit fasst der Bundestag einen weitreichenden Beschluss. Es geht um nicht weniger als die Zerstörung einer kompletten Volkswirtschaft und eine gigantische Verarmung der zyprischen Gesellschaft. Die Abschaffung von Sozialregeln im Gesundheitswesen, Lohn- und Rentenkürzungen um bis zu 12,5 Prozent, Entlassungen im öffentlichen Dienst und ein riesiges Privatisierungsprogramm sind nur einige Beispiele. Selbst die Troika erwartet in den nächsten zwei Jahren eine Schrumpfung der zyprischen Volkswirtschaft um rund 12 Prozent und einen Anstieg der öffentlichen Verschuldung bis 2015 auf 126 Proeznt des Bruttoinlandsproukts. Das ist gegenüber 2007 mehr als eine Verdoppelung. Und alle Erfahrungen mit Troika-Prognosen aus den letzten Jahren legen nahe: Es wird schlimmer kommen.

Die so genannte Zypernrettung ist nichts als ein gigantisches Verarmungs- und Rezessionsprogramm. Die Krise wird sich dadurch, wie unter anderem in Griechenland, nur weiter verschärfen. Der wirtschaftliche Einbruch wird weitere Programme rechtfertigen. Wenn es soweit ist, wird Zypern nicht mehr viel anzubieten haben. Es folgen dann wohl die komplette Zerstörung der Sozialstaatlichkeit, der Abbau der übriggebliebenen Arbeitnehmerrechte und vielleicht auch eine Verpfändung der großen zyprischen Rohstoffvorkommen.

Für DIE LINKE ist dieses Programm des ökonomischen Wahnsinns und der sozialen Kälte vollkommen inakzeptabel. Wir werden daher dagegen stimmen und mit einem eigenen Antrag dafür plädieren, Zypern keine ESM-Kredite zu geben, sondern eine alternative, sozial gerechte Krisenpolitik einzuführen. Diese umfasst unter anderem solidarische Hilfskredite ohne politische Auflagen, eine starke Beteiligung von Vermögenden und Spekulanten sowie ein entschlossenes und koordiniertes Vorgehen gegen Steuerflucht und -hinterziehung. Nicht die Banken müssen gerettet werden, sondern die Menschen. Mit den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag ist das allerdings kaum vereinbar.

linksfraktion.de, 18. April 2013