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»Das Wort ›Fusion‹ ist mir zu eng gefaßt«

Im Wortlaut von Axel Troost,

Dr. Axel Troost ist eines der vier Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstandes der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG). Er wurde am Sonntag auf der sächsischen Landesliste der Linkspartei in den Bundestag gewählt.

Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl. Die Linke hat jetzt eine beachtliche Bundestagsfraktion, und die neoliberalen Parteien blockieren sich gegenseitig. Haben Sie einen Tip, wie dieses Land regiert werden sollte?
Es wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen, wie Mehrheiten gebildet werden. Wir als Linkspartei stehen auf jeden Fall als Opposition zur Verfügung.

Die Fraktion besteht aus 54 Abgeordneten, verglichen mit der mehr ostdeutsch geprägten früheren PDS-Fraktion sind viele West-Linke hinzugekommen. Prallen da nicht verschiedene Welten aufeinander?
Das wird sich zeigen. Ich glaube, daß die inhaltlichen Auseinandersetzungen sehr solidarisch sein werden. Sie werden aber bestimmt nicht entlang der Parteigrenzen verlaufen.

Wie läßt sich eine so heterogene Fraktion auf eine gemeinsame Politik festlegen? Der ehemalige SPD-Parteichef Oskar Lafontaine, der zusammen mit Gregor Gysi die Fraktion führen wird, ist bei manchen Linkspartei-Abgeordneten sehr umstritten.
Die erste Fraktionssitzung wird am Freitag stattfinden, da werden wir schon beweisen müssen, daß die Fraktion wesentlich mehr ist als ihre beiden Vorsitzenden. Für die kommende Woche haben wir eine zweitägige Klausur eingeplant.

Wird die Fraktion auch Gespräche mit linken Sozialdemokraten führen?
Selbstverständlich. Wir müssen zwar erst einmal abwarten, wie die künftige Regierung aussieht. Aber dann werden wir nicht nur mit linken Sozialdemokraten, sondern auch mit Abgeordneten aus der Grünen-Fraktion Gespräche führen. Vielleicht kann man hier und da zusammenarbeiten.

Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Bewegungen vor?
Wir wollen eine Koordinierungsstelle schaffen, die mit kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt ist. Diese Stelle soll den Kontakt zu außerparlamentarischen Bewegungen halten und eine gemeinsame Politik koordinieren. In der WASG haben wir darüber schon diskutiert, und wir werden diesen Vorschlag auch in die Fraktionsberatung einbringen.

WASG und Linkspartei wollen in absehbarer Zeit fusionieren. Gibt es dafür einen Zeitplan?
Das Wort »Fusion« ist mir zu eng gefaßt. Wir wollen vielmehr ein neues Parteiprojekt auflegen, in das Personen einbezogen werden können, die bisher weder der einen noch der anderen Partei angehörten. Wir stellen uns vor, daß die Bildung dieser neuen Partei ein, zwei Jahre dauert. Es kann aber auch schneller gehen, das kann man nicht vorhersagen.

Wollen Sie auch Gespräche mit anderen linken Parteien, Gruppen oder Organisationen führen? Etwa mit Linksruck, SAV, DKP usw.?
Wir werden Foren bilden und Diskussionen auf Kreis- und Landesebene organisieren. Und alle können mitmachen, die sich daran beteiligen wollen. Erst einmal als Einzelpersonen - sie können dann natürlich auch die Inhalte ihrer jeweiligen Organisation einbringen.

An der Basis von WASG und Linkspartei hat man mitunter den Eindruck, daß nicht mehr viel über den Zusammenschluß beider Parteien geredet werden muß. Ist die Basis weiter als die Parteivorstände?
Das ist unterschiedlich. Aus Hessen z.B. wird berichtet, daß im Wahlkampf schon alles gemeinsam gemacht wurde, so daß man den Unterschied beider Parteien gar nicht mehr erkennt. Andererseits gibt es viele - insbesondere in der WASG - die fürchten, von der Ex-PDS geschluckt zu werden. Solche Ängste nehmen wir ernst, denn diesen Eindruck wollen wir keineswegs erwecken. Auf jeden Fall müssen wir die politische Breite, die wir im Westen haben, in dieses Projekt einbringen. Wenn das nicht gelingt, haben wir nichts gewonnen.

Die Bundestagswahl ist auch im Ausland mit großem Interesse verfolgt worden. Welche Auswirkungen hat diese Wahl auf Europa?
Ich denke, daß die Bundesrepublik jetzt europäisches Niveau erreicht hat. Es gibt endlich auch bei uns eine bedeutende linke Kraft neben der Sozialdemokratie, und zwar bundesweit. Und ich hoffe, daß dies zur Stärkung der Linken in Europa beiträgt.

Interview: Peter Wolter

junge Welt, 20. September 2005