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Das Volk als Gesetzgeber

Im Wortlaut von Halina Wawzyniak,

LINKE legte Entwurf zur Einführung von Referenden auf Bundesebene vor

Von Fabian Lambeck

Nach dem erfolgreichen Volksentscheid zum Nichtraucherschutz in Bayern mehren sich die Stimmen, das Plebiszit auch in anderen Bundesländern durchzuführen. Doch die Hürden für solche Volksentscheide sind in einigen Ländern höher als in Bayern. Auf Bundesebene sind von Bürgern initiierte Referenden erst gar nicht vorgesehen. Ein Antrag der LINKEN will dies nun ändern und eine »Volksgesetzgebung« in der Verfassung festschreiben.

Die Bayern haben es dem Rest der Republik mal wieder gezeigt. Doch anders als im Freistaat ist das Quorum für Volksentscheide in einigen Bundesländern viel höher. Zwar gibt es mittlerweile in allen Ländern die Möglichkeit, Volksbegehren zu initiieren. Jedoch sind die dabei zu erreichenden Quoren teilweise absurd hoch. So etwa in Baden-Württemberg. Dort müssen 16,6 Prozent der Bürger innerhalb von nur 14 Tagen das Volksbegehren unterzeichnen. In Bayern liegt das Quorum hingegen bei 10 Prozent. Noch schwieriger wird es den Hessen gemacht. Jeder fünfte Bürger muss sich dort einem Volksbegehren anschließen, damit es zu einem Referendum kommt. Der Verein »Mehr Demokratie« geht davon aus, dass der bayerische Volksentscheid »in neun der 16 Bundesländer« am Quorum gescheitert wäre.

Was in den Ländern und Kommunen schon schwer genug ist, wird dem Bürger auf Bundesebene vollkommen unmöglich gemacht. Da man den Deutschen im Jahre 1949 noch nicht recht über den Weg traute, sieht das in jenem Jahr verabschiedete Grundgesetz eigentlich keine Plebiszite vor. Zwei Ausnahmen kennt die Verfassung jedoch: Bei einer »Neugliederung des Bundesgebietes« oder einer Revision des Grundgesetzes müssten die Bürger befragt werden. Sie selbst dürfen jedoch keine Volksentscheide initiieren.

Das will die LINKE nun ändern. Am Mittwoch brachte die Linksfraktion einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein, der eine »dreistufige Volksgesetzgebung« ermöglichen soll. Dem Entwurf zufolge könnten »Volksinitiativen« mit mindestens 100 000 Unterstützern »Gesetzentwürfe und bestimmte Gegenstände der politischen Willensbildung« dem Parlament vorlegen (Stufe eins). Lehnt der Bundestag diese ab, kann ein Volksbegehren in die Wege geleitet werden (Stufe zwei). Das für einen Volksentscheid (Stufe drei) zu erreichende Quorum ist relativ niedrig angesetzt. So müssten »eine Millionen Wahlberechtigte innerhalb von sechs Monaten« dem Vorstoß zustimmen. Bei Volksbegehren, die eine Grundgesetzänderung anstreben, wurde die Latte höher gelegt: Hier müssten zwei Millionen Bürger das Anliegen unterstützen.

Die Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak (LINKE) betonte am Mittwoch, dass der Volksentscheid nur dann Gesetzeskraft erlangen soll, »wenn ein Viertel der Wahlberechtigten an der Abstimmung teilnimmt und davon die Mehrheit mit Ja stimmt«. SPD, Grüne und FDP zeigten grundsätzlich Sympathie für den Entwurf der LINKEN. Doch während die Liberalen lieber das Petitionswesen »verbessern« wollen, sind den Grünen »die Quoren zu niedrig« und die »Fristen zu kurz«. Die Union beurteilt das gesamte Vorhaben skeptisch. Und so wird das Projekt Volksgesetzgebung wohl in jenen Ausschüssen stecken bleiben, in die es gestern verwiesen wurde.

Neues Deutschland, 9. Juli 2010